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Interview mit Daniel A. Nicholas
„Besonders interessant finden wir derzeit den Gesundheitssektor“
Daniel A. Nicholas ist Portfoliomanager bei der in Chicago ansässigen Investmentgesellschaft Harris Associates, die sich mit ihren Fonds auf den Bereich Value-Investing konzentriert. Durch eine moderne Investmentphilosophie und tiefgreifende Recherchen will man den Begriff Value-Investing neu definieren. GEWINN hat mit Daniel Nicholas beim Finanzkongress von Natixis in Paris gesprochen und einen Einblick in dessen wertorientierte Anlagestrategie bekommen.
GEWINN: Herr Nicholas, Sie verfolgen eine etwas modernere Investmentphilosophie, auch wenn Sie im Bereich Value-Investing tätig sind. Gibt es in Ihrem Fonds auch Unternehmen, bei denen es sich um vermeintliche Wachstumsunternehmen handelt, in die Sie aber aufgrund Ihres speziellen Value-Ansatzes investiert sind?
Nicholas: Ja, solche Beispiele gibt es. Eine unserer größten Positionen ist Alphabet, der Konzern wird gemeinhin als Wachstumsaktie gesehen. Wenn man Alphabet nach traditionellen Value-Maßstäben bewertet, kommt man auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von ca. 16, während das durchschnittliche KGV der S&P-500-Unternehmen zwischen 18 und 20 liegt. Der Technologiekonzern ist also günstiger bewertet als der Gesamtmarkt. Was für uns noch dazukommt: Wir passen die vom Unternehmen veröffentlichten Bilanzzahlen an unsere eigene Einschätzung an. Die heutigen Einnahmen von Alphabet werden beispielsweise durch Investitionen in zukünftige immaterielle Vermögenswerte gedrückt. Diese Investitionen stärken aber die Gewinne in der Zukunft und erhöhen den intrinsischen Wert des Unternehmens. Aus unserer Sicht rechnen wir bei Alphabet eher mit einem adjustierten KGV von zwölf. Diese Art der detaillierten Bewertung erfordert viel Arbeit, börsennotierte Unternehmen müssen von uns in ihre Einzelteile zerlegt werden.
GEWINN: Gibt es für Sie als Value-Investor Bereiche, denen der Markt bisher nur wenig Beachtung geschenkt hat, die für Sie aber hochinteressant sind?
Nicholas: Besonders interessant finden wir derzeit den Gesundheitssektor. Eigentlich hatten wir seit 2016 kaum Gesundheitsaktien im Portfolio, da Aktien dieser Unternehmen an der Börse immer gefragt und dementsprechend hoch bewertet waren. Geldpolitische Maßnahmen (Quantitative Easing) haben auch ihren Teil dazu beigetragen. Die Covid-19-Pandemie hat aber große Turbulenzen und Unsicherheiten in diesen Markt gebracht. Nach hohen Erwartungen in den Pandemiejahren sehen wir nun wieder sinkende Wachstumszahlen. Dies führt dazu, dass Investoren, die auf schnelles Wachstum aus sind, gerade verstärkt Gesundheitsaktien verkaufen. Für uns ergeben sich dadurch gute Value-Investitionsmöglichkeiten. Unternehmen im Gesundheitssektor haben zudem auch gute Dividendenrenditen, und ihr Geschäftsmodell ist recht stabil und sicher. Es hat also einen makroökonomischen Einfluss (Schock) wie Covid gebraucht, um Unsicherheit zu verursachen und uns so wieder attraktive Einstiegsmöglichkeiten in die Branche zu eröffnen.