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Immobilien-Interview
„Da haben sich einige verspekuliert“
Das Angebot am heimischen Immobilienmarkt ist deutlich größer als vor einem Jahr, gleichzeitig stehen die Käufer seit Herbst 2022 auf der Bremse.
GEWINN: Wie lange hält diese Unsicherheit Ihrer Meinung nach noch an?
Haimovici: Einer der wesentlichen Faktoren für die Zurückhaltung ist die KIM-Verordnung (strengere Kreditvergabekriterien der FMA, Anm.), die im Sommer 2022 eingeführt wurde. Wenn diese geändert wird oder komplett verschwindet – und damit rechnen wir –, wird das den Markt beleben. Wenn die Verordnung nicht geändert wird, können österreichische Banken immer weniger Privatkunden den Immobilienkauf finanzieren.
GEWINN: Wirkt sich die Unsicherheit schon auf die Preise aus?
Haimovici: Im Neubau bei Bauträgerprojekten sehen wir derzeit praktisch keine sinkenden Preise. Wie auch? Der Bauträger hat das Grundstück gekauft, er hat steigende Bau- und Materialkosten und er muss höhere Löhne zahlen. Im Privatbereich gibt es sicher Personen, die sich beim Immobilienkauf überschuldet haben und jetzt verkaufen müssen. Viele haben gebrauchte Wohnungen aus den 1960er- oder 1970er-Jahren gekauft, um sie schnell teurer weiterzuverkaufen oder über Airbnb zu vermieten. Da haben sich einige verspekuliert und da könnten die Preise runtergehen. Wer in einer solchen Situation ist, sollte sich jetzt für den Verkauf der Wohnung und die Finanzierung Beratung von Profis suchen.
Mack: Mit Preisanpassungen rechnen wir aber eher am Land, im erweiterten Speckgürtel. In der Vergangenheit hat immer „Lage, Lage, Lage“ gezählt. Das ist im Immobilienboom der letzten Jahre in den Hintergrund gerückt. Beispiel Großraum Wien: Da haben Wiener bis weit in den Süden, bis in den Bezirk Neunkirchen gekauft. Die Eigentümer haben dort Preise aufgerufen, die teilweise schon vom Markt entkoppelt waren. In solchen entlegeneren Lagen werden wir möglicherweise stärkere Korrekturen sehen als in Mödling oder Baden, zwei Bezirken, die immer schon beliebt waren.
GEWINN: Das heißt, in schwächeren Lagen müssen sich Verkäufer auf längere Wartezeiten einstellen, bis ihre Immobilie einen Käufer findet?
Mack: Ja, hier reden wir von mehreren Monaten zusätzlich. Objekte bis circa 350.000 Euro funktionieren aber nach wie vor gut. Diese Preise können Eigennutzer trotz strengerer Kreditvergabe stemmen. Alles darüber muss sich auf längere Vermarktungszeiten einstellen.
GEWINN: Eigennutzer sind von den schärferen Kreditvergabestandards getroffen, für Anleger rechnet sich der Kauf wegen der teureren Finanzierung weniger. Warum soll man eine Wohnung kaufen und vermieten, wenn es für eine Wohnbauanleihe wieder vier Prozent Zinsen gibt?
Haimovici: Für manche Kunden ist es bei einer ausreichenden Rendite am Bankkonto nicht von Interesse, in eine Immobilie zu investieren. Man muss dem aber die Werthaltigkeit und die Wertentwicklung einer Immobilie gegenüberstellen. Da schaut die Rechnung ganz anders aus. Das haben Sie bei der Wohnbauanleihe am Ende der Laufzeit nicht. Schauen Sie sich die letzten 20 Jahre an, aber auch die letzten 50 Jahre: Es gab langfristig immer eine Wertsteigerung. Bei hoher Inflation werden auch die Immobilienpreise nachziehen. Kurzfristig wird es aber keine großen Steigerungen geben, es wird derzeit sicher weniger gekauft.
GEWINN: Die Wertsteigerungen waren auch so stark, weil lange zu wenig gebaut wurde. 2021 und 2022 wurden aber so viele Wohnungen fertig wie noch nie. Haben wir in manchen Lagen ein Überangebot?
Haimovici: In Graz wurde sehr viel gebaut. Die Stadt hat sich wunderbar entwickelt, aber das Angebot ist groß. Da beginnen die Mieter, bei der Suche sehr genau auszuwählen. Es kann ausreichen, dass das Ceranfeld nicht passt, um sich für eine andere Wohnung zu entscheiden. In Wien gibt es im 22. Bezirk aktuell sehr viel Angebot. Wir haben vor einigen Tagen 1.800 neue Eigentumswohnungen und über 3.000 Mietwohnungen auf einer großen Immobilienplattform gezählt. Diese Wohnungen werden aber ihre Mieter finden, weil der 22. Bezirk weiterwächst.
GEWINN: Steigt die Nachfrage nach Mietwohnungen, weil sich weniger Menschen Eigentum leisten können?
Mack: Definitiv. Wir haben kurz nach dem Sommer eine riesige Steigerung gesehen. Hier muss man aber differenzieren. Wegen der hohen Nachfrage von Investoren wurden sehr viele kleine Mietwohnungen gebaut. Jetzt suchen aber Familien, die eigentlich kaufen wollten, eine Übergangslösung für drei, vier Jahre. Die brauchen keine 30, sondern größere Flächen zwischen 65 und 90 Quadratmeter.
GEWINN: Und welche Mieten werden für solche Wohnungen gezahlt?
Haimovici: Bleiben wir in Wien im 22. Bezirk mit U-Bahn-Anbindung. Da sind wir schon bei 13 bis 13,50 Euro Nettomiete pro Quadratmeter exklusive Betriebskosten. Je niedriger die Energiekosten sind, desto mehr bleibt für die Miete übrig.