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Das Labor der Energiewende
Wo einst zwei Millionen Tonnen Kohle ­lagerten, wird in Dürnrohr jetzt auf 23 Hektar Sonnenstrom produziert.
© Alexander Wallner

Energiewende & Dekarbonisierung

Das Labor der Energiewende

Im niederösterreichischen Dürnrohr qualmte bis 2019 das größte Kohlekraftwerk des Landes. Nun wird dort im großen Stil Sonnenstrom produziert. In Zukunft könnten damit am Standort grüner Wasserstoff und synthetisches Gas hergestellt werden.

Von Robert Wiedersich

14.05.2024

Das frühere Kohlekraftwerk Dürnrohr im Tullnerfeld liegt im Gemeindegebiet von Zwentendorf. Nur fünf Minuten sind es mit dem Auto zum nie in Betrieb gegangenen Atomkraftwerk. Das ist kein Zufall. Als sich Österreich 1978 per Volksabstimmung gegen die Kernenergie entschied, musste dringend Ersatz her, denn der Stromverbrauch stieg damals kräftig an. Statt des AKWs stampfte man binnen weniger Jahre das größte Kohlekraftwerk des Landes aus dem Boden. Eine Anlage ­voller Superlative. Auf einem 110 Hektar großen Areal entstanden bis 1986 zwei Kraftwerksblöcke von EVN und Verbund mit einer Leistung von 750 MW. 

Die dafür benötigten Kohlemengen waren gewaltig. In Spitzenzeiten verbrannten die beiden Blöcke pro Stunde 230 Tonnen polnische Steinkohle. Das war vor allem in den Wintermonaten notwendig, wenn die Wasserkraftwerke zu wenig Energie produzierten. Dafür, dass die Kohle niemals knapp wurde, sorgte ein gigantischer Lagerplatz. Bis zu zehn Meter hoch türmten sich die Berge von bis zu zwei Millionen Tonnen Steinkohle, die die Versorgung für ­eineinhalb Jahre sicherten. 

Vom CO₂-Ausstoß aus betrachtet waren der Stopp des fertigen AKWs und der Umstieg auf Kohle allerdings kein Gewinn. Dürnrohr zählte in seinen Hochzeiten zu den landesweit größten Emittenten von CO₂, das durch den rot-weiß-rot gestrichenen, 210 Meter hohen Schornstein geblasen wurde, nebenbei das dritthöchste Gebäude des Landes.

Vom Riesen-CO₂-Emittenten zum Sonnenstrom-Riesen

Doch das ist Geschichte. In Österreich wird keine Kohle mehr zur Stromerzeugung verbrannt. 2015 stoppte der Verbund seine Turbinen in Dürnrohr, 2019 mottete die EVN ihren Block ein. 

Doch schon damals wurde bereits mit Hochtouren an der Zukunft des Kraftwerksstandorts geplant. „Wir entwickeln Dürnrohr zu einem Energieknoten. Wir wollen hier zeigen, wie der Weg in die Erneuerbare-Energie-Zukunft funktionieren kann. Dafür investieren wir in den nächsten Jahren über 20 Millionen Euro“, sagt EVN-Sprecher Stefan Zach. Standortleiter Michael Aschauer wird jedenfalls auch nach dem Ende ­Kohleära nicht langweilig. Er arbeitet jetzt in Österreichs größtem Labor der Energiewende. Hier wird nichts im kleinen Versuchsmaßstab ausprobiert, sondern mit richtig großen Anlagen unter realen Bedingungen. 

Einen wirklichen Stillstand gab es in Dürnrohr ohnehin nie. Auch als das Kohlefeuer gelöscht wurde, lief die Stromproduktion weiter – mit allerdings deutlich kleineren Turbinen in einem Nebengebäude. Die Energie dafür liefert die ­benachbarte Müllverbrennung. Mit dem heißen Dampf aus der Müllverbrennung werden auch die nahe gelegenen Industriebetriebe, z. B. die Agrana, versorgt und das Fernwärmenetz der Landeshauptstadt St. Pölten gespeist. 

Ein Nebeneffekt des Kohleausstiegs: Die 23 Hektar großen Kohlehalden waren plötzlich als ungenutzte Fläche frei. Hier wurde im Vorjahr mit der Errichtung einer der größten Photovoltaikanlagen des Landes begonnen. Seit wenigen Wochen ist sie fertig. „Wir haben 35.600 PV-Module installiert und können damit mehr als 7.700 Haushalte mit Ökostrom versorgen“, so Aschauer. Die Anlage ist 23,5 MWp oder umgerechnet 23.500 kWp stark. Zum Vergleich: Eine typische Anlage auf einem Einfamilienhausdach hat eine Leistung von zehn kWp. In Zukunft könnte das Sonnenkraftwerk  um angrenzende Flächen erweitert werden, die noch einmal eine zusätzliche Leistung von 15 MWp ermöglichen würden.

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