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Interview mit Ronald Stöferle
„Die Musi am Goldmarkt spielt in den Emerging Markets“
Ronald Stöferle, Fondsmanager und Partner beim liechtensteinischen Vermögensverwalter Incrementum, zählt zu den gefragtesten Experten, wenn es um das Thema Gold als Investment geht. Diesen Status hat er sich allerdings hart arbeitet, seit er 2007 gemeinsam mit Mark J. Valek, damals noch bei der Erste Group Bank, erstmals den „In Gold We Trust“-Report herausgab. Seither entwickelte sich die jährlich veröffentlichte Studie zur meistgelesenen Goldstudie weltweit, deren jüngste Ausgabe mehr als zwei Millionen Mal heruntergeladen wurde.
Trotz seines vollen Terminkalenders nimmt sich der dreifache Familienvater und bekennende Rapid-Fan für das Gespräch mit GEWINN viel Zeit.
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GEWINN extra: Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten das nominale Allzeithoch mehrfach überboten, selbst das inflationsbereinigte Allzeithoch von 1980 scheint erstmals in Reichweite – trotz eines hohen Zinsniveaus, was ja typischerweise Gold nicht unterstützt. Was sind die treibenden Faktoren hinter dieser Goldpreisrallye?
Stöferle: Ja, wir haben tatsächlich hohe nominelle Zinsen und sinkende Inflationsraten, was zu einem Anstieg der realen Verzinsung geführt hat. Gleichzeitig haben wir auch eine extrem schwache Nachfrage nach Gold aus westlichen Ländern gesehen. Und dennoch steigt der Goldpreis? Das passt eigentlich nicht zusammen. Wir haben aber bereits in unserem aktuellen „In Gold We Trust“-Report darauf hingewiesen, dass am Goldmarkt jetzt neue Regeln herrschen. Demnach ist ein wesentlicher Faktor für den Preisanstieg die enorme Nachfrage seitens der Notenbanken, die im ersten Halbjahr die Rekordmenge von 483 Tonnen gekauft haben. Und der zweite Faktor ist die sehr starke Nachfrage aus Asien. China und Indien sind mittlerweile für mehr als 50 Prozent der Nachfrage verantwortlich. Wenn man jetzt auch noch den arabischen Raum und die Türkei dazurechnet, kommen zwei Drittel der physischen Goldnachfrage aus diesen Regionen. Die Musi am Goldmarkt spielt also gar nicht mehr in der westlichen Welt, sondern ganz klar in den Emerging Markets.
GEWINN extra: Kurzfristig wurde der Goldpreis ja durch die Zinssenkungen im Euro und im US-Dollar weiter befeuert.
Stöferle: Ja, die Zinssenkung in den USA war mit 0,5 Prozentpunkten überraschend stark. Da haben sich schon viele gefragt, ob in der US-Wirtschaft vielleicht doch nicht alles so gut läuft, wie es kommuniuziert wird. Das stärkt die Goldnachfrage ebenso wie die ganze geopolitische Situation mit den Konflikten in der Ukraine und in Israel. Und zu guter Letzt muss man auch die Verschuldung erwähnen, die vielerorts aus den Fugen gerät – insbesondere in den USA nimmt das schon extreme Ausmaße an. Da verlieren einige Investoren schön langsam das Vertrauen in die Stabilität der Nationalstaaten, was wiederum den Run auf Gold verstärkt.
GEWINN extra: Wie lange kann die Goldpreisrallye noch andauern?
Stöferle: Kurzfristig kann ich mir schon vorstellen, dass es eine Verschnaufpause geben könnte. Es war ja ein sehr impulsiver Rekordlauf. Aber wir stehen nach wie vor zu unserem langfristigen Kursziel von 4.800 US-Dollar je Feinunze bis zum Ende dieser Dekade. Wir halten dieses Ziel sogar für realistischer denn je. Basierend auf unserem Goldpreismodell haben wir ja für Ende 2024 einen Preis von 2.665 US-Dollar erwartet. Das hat bisher sehr gut gehalten.
GEWINN extra: Ist Gold nicht schon ziemlich teuer? Laut Analysten soll der hohe Goldpreis bereits potenzielle Käufer in Asien abschrecken.
Stöferle: Wir haben jetzt knapp die inflationsbereinigten Allzeithochs gesehen, also ist Gold sicherlich nicht mehr spottbillig. Aber ich glaube, es ist auch noch nicht massiv überteuert. Und laut unserem Goldpreismodell sind wir zwar nicht ganz am Beginn dieses Aufwärtstrends, aber sicherlich auch noch nicht am Ende.
GEWINN extra: Warum kaufen Notenbanken in Schwellenländern Rekordmengen an Gold?
Stöferle: Wir sehen, dass der Dollar nach Jahrzehnten der Dominanz als Weltreservewährung an Bedeutung verliert und in erster Linie Schwellenländer Gold als neutrale Reservewährung kaufen. Hier waren insbesondere die Sanktionen gegen Russland nach dem Angriff auf die Ukraine 2022, wonach Währungsreserven im Ausland eingefroren wurden, ein Weckruf für viele Schwellenländer, die fürchten, dass ihnen das auch passieren könnte. Da ist Gold eine gute Lösung, weil es sehr liquide ist, überall gehandelt wird und es kein Gegenparteirisiko gibt.