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„Die treibende Kraft ist und bleibt die Geldpolitik“
Wolfgang Habermayer, Merito Financial Solutions: „Für uns sind auch die höher bewerteten US-IT-Unternehmen weiterhin ein ,Kauf‘, solange sie die erwarteten Gewinne liefern.“
© Roland Unger

Interview mit Wolfgang Habermayer

„Die treibende Kraft ist und bleibt die Geldpolitik“

Wolfgang Habermayer, Gründer und CEO von Merito Financial Solutions, sieht überwiegend positive Anzeichen für die Aktienmärkte, insbesondere auch in den USA.

Von Martin Maier und Elias Moling

16.04.2024

GEWINN: Herr Habermayer, im bisherigen Jahresverlauf ging es an den Börsen mit den Kursen ja teilweise kräftig nach oben. Was sind aus Ihrer Sicht Faktoren, die die Märkte in den kommenden Monaten bewegen könnten?

Habermayer: Die treibende Kraft meines Erachtens ist und bleibt die Geldpolitik. Wir kommen ja aus einem Umfeld, wo man zunächst die inflationäre Entwicklung unterschätzt hat. Spät, aber doch hat man erkannt, dass diese Entwicklung einen nachhaltigeren Effekt hat, und darauf mit einer raschen Leitzinserhöhung reagiert, die es in dieser Geschwindigkeit seit den 1970er-Jahren nicht mehr gegeben hat. Als Folge dieses Zinsanstiegs hatte man mit einer Rezession gerechnet, die üblicherweise als Kollateralschaden mit derartigen Maßnahmen einhergeht. Doch zum großen Erstaunen ist bisher eine Rezession ausgeblieben – jedenfalls in den USA. Es ist eigentlich das Gegenteil eingetreten: Die US-Wirtschaft wächst viel stärker als erwartet.

GEWINN: Woran liegt das?

Habermayer: In erster Linie sieht man trotz dieser restriktiven Geldpolitik einen sehr robusten Arbeitsmarkt. Es gibt viele offene Stellen, die nicht bedient werden können. Und deshalb können Gewerkschaften und sonstige Vertreter der Arbeitnehmer entsprechende Lohnerhöhungen durchsetzen. Und in einem Land, wo ein Großteil der gesamtwirtschaftlichen Leistung aus Konsum heraus entsteht, stützt das die Konjunktur halt trotz hoher Zinsen enorm.

GEWINN: Wie sieht es konjunkturell im Rest der Welt aus?

Habermayer: Wir in Europa sind aus vielen Gründen etwas schlechter dran, und viele Volkswirtschaften, wie etwa in Deutschland oder Österreich, bewegen sich rund um das Nullwachstum herum. Wir haben offenere Volkswirtschaften und sind somit stärker abhängig vom Export, etwa nach China, wo ein für dortige Verhältnisse schwaches Wirtschaftswachstum auch zu niedrigerer Nachfrage führt. Und diese Situation, dass wir in Europa konjunkturell schwächer sind, könnte möglicherweise dazu führen, dass die Europäische Zentralbank vielleicht schon vor der US-Notenbank, die Leitzinsen senkt. Das wäre historisch gesehen sehr atypisch, denn normalerweise geht immer die US-Fed voraus.

GEWINN: Für wann erwarten Sie die ersten Zinsschritte? Anfang des Jahres war man ja noch von Zinssenkungen bereits sehr früh in der ersten Jahreshälfte ausgegangen.

Habermayer: Die Gesamtinflation ist durch die Maßnahmen der Notenbanken ja doch spürbar zurückgegangen. Aber bei der Kerninflation war das weniger eindrucksvoll, und hier sind wir auch noch nicht am Ziel der Notenbanken angelangt. Zum Jahreswechsel war die Euphorie groß, da hatte man ja bis zu sechs Zinsschritte am Markt eingepreist. Aktuell erwarten Marktteilnehmer nur mehr drei Zinssenkungen. Das hat auch US-Notenbankpräsident Jerome Powell in der Sitzung am 20. März bestätigt. Aber wann die ersten Zinsschritte kommen, hängt wie gesagt davon ab, wie sich die Kerninflationsrate entwickelt.

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