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Gendermedizin
In der Medizin werden immer mehr geschlechterspezifische Therapien ­­entwickelt.
© Katarzyna Bialasiewicz Photographee.eu – GettyImages.com

Therapieunterschiede

Gendermedizin

Zwischen Männern und Frauen gibt es relevante geschlechterspezifische Unterschiede – besonders in der Medizin.

Von Andrea Dungl-Zauner

23.04.2024

Seit der Jahrtausendwende steigt das Bewusstsein, dass biologische Unterschiede der Anatomie, eine Fülle von mehr oder weniger divergierenden Stoffwechselprozessen bei Frau und Mann bei der Entstehung von Krankheiten ebenso relevant sind wie bei der Therapie. Berücksichtigung in der Medizin bietet die Chance optimierter Therapieverfahren und besserer Ergebnisse für Männer und Frauen. Für differenzierte Therapien sollten sich alle in Gesundheitsberufen Tätigen damit auseinandersetzen.

Tumore

Konkrete Beispiele gefällig? Im Durchschnitt erkranken und versterben mehr Männer an Krebs als Frauen. Da Frauen zwei X-Chromosomen besitzen, sind sie bei Ausfall eines Gens durch eine Mutation durch das zweite Chromosom ausreichend geschützt, wodurch das Risiko der Entstehung eines bösartigen Tumors gegenüber jenem bei Männern geringer ist. Der unterschiedliche Lebensstil von Männern und Frauen ist ein weiterer Faktor des unterschiedlichen Krebsrisikos. Risikofaktoren wie Ernährungsfehler, Übergewicht, Tabak- und Alkoholkonsum, die Ausübung bestimmter „männertypischer“ Berufe und Fehlen eines Präventionsverhaltens treten bei Männern häufiger auf und begünstigen somit die Tumorgenese. Mit Übergewicht sind beispielsweise Krebsformen wie z. B. Darmkrebs, Speiseröhrenkrebs und Nierenzellenkrebs assoziiert.

Geschlechtsspezifische Unterschiede in Immunologie, Hormonhaushalt und Pharmakologie haben einen signifikanten Einfluss auf die onkologische Therapie. Diese Unterschiede bedingen auch eine unterschiedliche Resorption und Ver­stoffwechselung von Chemothera­peutika und somit die zu erzielende ­Effektivität der Therapie und ihre ­Nebenwirkungen. Daher wird heute jedes Karzinom histologisch und ­genetisch differenziert betrachtet. ­Basierend auf den Untersuchungs­ergebnissen werden teils völlig unterschiedliche therapeutische Konzepte angewandt. Diese feine Differenzierung hat zu einer deutlichen Verbesserung der therapeutischen Erfolge geführt.

In der Therapie sollten bei Lebensstilmodifikationen und der Gabe von Medikamenten geschlechtsspezifische Unterschiede mehr Beachtung finden. Manche Medikamente bewirken etwa in der Menopause vermehrt Knochenbrüche, andere vermehrt Harnwegsinfekte und Infektionen im Genitalbereich (Pilz) bei Frauen. Insgesamt dürften Frauen bei metabolischen Erkrankungen ungünstigere Veränderungen im Glukose- und Lipidstoffwechsel sowie ein schnelleres Auftreten von Spätkomplikationen im Vergleich zu Männern mit vergleichbarer Glukosetoleranzstörung aufweisen. Eine Gewichtsreduktion um mindestens fünf Prozent sollte in beiden Gruppen erzielt werden. Dies gilt auch für Risikogruppen wie adipöse Frauen mit Kinderwunsch oder Männer mit erektiler Dysfunktion.

Depressionen

Die Symptome der männlichen Depression unterscheiden sich von jenen der weiblichen deutlich. Obwohl Männer eine dreimal höhere Suizidrate aufweisen, wird bei ihnen die Depression viel seltener diagnostiziert. Die in der Medizin etablierten Depressionsscreenings wurden überwiegend unter Einbeziehung von Frauen und deren Symptomen (depressive Verstimmung, Traurigkeit, Antriebslosigkeit etc.) entwickelt, wodurch Männer leichter durch das Diagnoseraster ­fallen.

Gleichzeitig sind divergente männliche Verhaltensmuster mit erhöhter Aggressivität, Reizbarkeit, Risiko- und Suchtverhalten gekoppelt mit einer geringeren Inanspruchnahme professioneller Hilfe. Die männ­liche Gesellschaftsnorm um Stärke, Leistung und Erfolg als Symbole männlicher Identität ist oft die Basis der Verleugnung ihrer Verletzlichkeit. Dementsprechend sollten sowohl ­Präventions- als auch Therapieangebote an die Bedürfnisse der Männer angepasst ­werden.

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