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„In Europa legen weniger als zehn Prozent der Bevölkerung Geld am Kapitalmarkt an“
Julian Collin, ­Trade Republic: Wir haben geplant, dass wir in den nächsten sechs Monaten, also zum Ende des ersten Quartals 2025 auch in Österreich ,steuereinfach‘ sein werden.“
© Trade Republic, Bildbearbeitung: GEWINN

Interview mit Julian Collin

„In Europa legen weniger als zehn Prozent der Bevölkerung Geld am Kapitalmarkt an“

Julian Collin von Trade Republic erklärt, wie der Neobroker zur Bank wurde und wie man damit Sparer zu Anlegern machen will.

Von Martin Maier

15.10.2024

Trade Republic ist mit vier Millionen Kunden in 17 Ländern laut eigenen Angaben die „größte Sparplattform für Wertpapiere in Europa“. Julian Collin, Director Growth & General Manager International Markets, hat laut seiner Jobbeschreibung auf dem beruflichen Internetportal Linkedin die Aufgabe, „das Unternehmen so schnell wie möglich wachsen zu lassen, indem ich Euro in Kunden verwandle und eine konsistente, aufstrebende und globale Marke aufbaue“. Wie er und das restliche Team von Trade Republic das schaffen wollen, erläuterte er bei seinem Besuch in der GEWINN-Redaktion.

GEWINN: Trade Republic ist ja ursprünglich als sogenannter Neobroker, als Onlinebroker mit einfacher Handhabung, reduziertem Angebot und geringen Gebühren, in den Markt eingetreten. Jetzt besitzen Sie seit Dezember 2023 eine Vollbanklizenz, bieten Kunden Zinsen für ihr Guthaben und eine Bankomatkarte. Die Einführung eines Girokontos wurde auch schon angekündigt. Damit sind Sie schon weit weg vom ursprünglichen Broker, hin zur vollwertigen Direktbank, oder?

Collin: Ja, aber dazu müssen wir einen Schritt zurückgehen, was am Anfang von Trade Republic stand, nämlich die Feststellung, dass im Durchschnitt weniger als zehn Prozent der Bevölkerung in Europa Geld am Kapitalmarkt anlegen. In manchen Ländern wie Deutschland oder Österreich ist der Anteil höher, aber in vielen anderen Ländern wie Slowenien oder Spanien liegt der Anteil eher nur bei fünf Prozent. Wir haben uns dann die Frage gestellt, wie man das Investieren für die gesamte Bevölkerung zugänglicher und relevanter machen kann.

GEWINN: Und womit kann man das erreichen?

Collin: Aus unserer Sicht war es ein erster Schritt, die jeweils aktuellen Leitzinsen der EZB an alle unsere Kunden weiterzugeben. Damit haben wir das Sparen auch für die Leute ermöglicht, die sich noch nicht wohl fühlen, aktiv zu investieren, aber bereits etwas Geld zur Seite legen konnten.  In einem nächsten Schritt haben wir dann die Bankkarte angeboten, weil die meisten Menschen solche Karten zum Bezahlen benutzen. Und wenn Kunden mit unserer Karte bezahlen, wird ein Prozent der Summe als Guthaben in einen Sparplan ihrer Wahl investiert und von Trade Republic finanziert. Das ist zwar in der Regel ein geringer Betrag, aber ein erster Schritt für Menschen, die davor noch nie in den Kapitalmarkt investiert und noch eine gewisse Angst davor haben. Und so können wir über diesen Umweg der Bankdienstleistungen mehr Menschen zum Investieren bringen.

GEWINN: Im Mai wurde von Trade Republic auch die Einführung eines Girokontos angekündigt. Gibt es diesbezüglich schon einen konkreten Zeitplan, wann und in welchen Märkten das passieren soll?

Collin: Das Erste war die Einführung einer eigenen IBAN für Trade Republic. Damit ermöglichen wir es, dass Kunden auch für Guthaben über 50.000 Euro Zinsen kriegen. Bis dahin war es ja auf diese Summe beschränkt. Die Trade-Republic-IBAN wird zuerst in Deutschland und danach bald auch in unseren anderen Märkten ausgerollt. In Bezug auf das Girokonto laufen hier gerade die internen Tests in Deutschland, und in den kommenden Monaten rollen wir das Angebot dann auch in weiteren Märkten Stück für Stück aus.

GEWINN: Wer ist denn der typische Kunde von Trade Republic?

Collin: Das Durchschnittsalter unserer weiblichen Kunden ist bei Anfang Dreißig. Sie verfügen im Durchschnitt über ein Guthaben von rund 10.000 Euro, wobei der Großteil des investierten Geldes in ETFs und Einzelaktien angelegt sind. Ein kleiner Teil ist auf Anleihen, Krypto-Assets und Derivate verteilt. Unsere typischen Kunden haben einen Sparplan, sparen monatlich zirka 300 Euro an und machen gelegentlich einzelne Trades. Die Bandbreite reicht hier von Menschen, die 50 Euro monatlich anlegen, bis hin zu jenen, die 1.000 Euro oder mehr pro Monat auf unserer Plattform investieren.

GEWINN: Oft werden Neobroker als „Zockerbuden“ kritisiert, die die Leute zum kurzfristigen Traden verleiten würden, um damit möglichst viel an Gebühren zu kassieren. „ETF-Sparpläne“ klingt jetzt nicht so nach Zocken …

Collin: Wir haben uns von vornherein immer als Plattform für langfristiges Investment positioniert und bieten daher auch die kostenlose Ausführung von ETF-Sparplänen an. Ich glaube, wenn man kurzfristig anlegen möchte, dann geht man zu einem CFD-Anbieter (Contracts for Difference, Anm.), der wirklich darauf ausgelegt ist.

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