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„Rekordgehälter sind nicht mehr leistbar“
Conrad Pramböck berät Unternehmen und Privat­personen seit 25 Jahren zu Gehalts- und Karrierefragen.
© Peter Schmidt

Gehälter

„Rekordgehälter sind nicht mehr leistbar“

Conrad Pramböck sieht bei den Gehaltssteigerungen die gläserne Decke erreicht. Wo sich die Gagen künftig einpendeln und warum der AUA-Abschluss keine Vorbildwirkung für andere Branchen hat, schildert der Gehaltsexperte im GEWINN-Interview.

Von Michaela Schellner

28.05.2024

In den Jahren 2021 und 2022 sind die Gehälter in vielen Bereichen explodiert. Beginnend mit 2023 zeichnet sich eine Trendumkehr ab – auch weil Österreich im internationalen Wettbewerb an Konkurrenzfähigkeit verliert. Conrad Pramböck weiß, was für Bewerber aktuell drin ist.

GEWINN: Was denken Sie über die kürzlich erfolgte 20-prozentige Gehaltserhöhung bei der AUA, obwohl die Mitarbeiter eigentlich 40 Prozent gefordert haben?

Conrad Pramböck: Die Gehaltserhöhung bei der AUA spiegelt verschiedene Dynamiken wider, die derzeit am Arbeitsmarkt spürbar sind. Ich beobachte hier drei Arten von Unternehmen: diejenigen, die sich in keiner ­Krise sehen und großzügige Abschlüsse machen, etwa die Banken. Dann ­solche, die sich leicht Geld beschaffen können, vor allem durch den Staat, und diejenigen, die sich realistischerweise keine zweistelligen Gehalts­erhöhungen mehr leisten können. Die AUA befindet sich in der zweiten ­Kategorie. Hier kann leichter mehr ­gefordert werden, weil die Alternative wäre, dass Österreich keine eigene Luftlinie mehr hat. Und das ist politisch wohl nicht durchsetzbar.

GEWINN: Also glauben Sie nicht, dass das Beispiel „überhöhte Forderung bringt hohen Abschluss“ auch für andere Branchen eine Vorbildwirkung hat?

Pramböck: Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Viele Unternehmen, insbesondere im Produktionsbereich oder in der Bau- und der Immobilienbranche, kämpfen mit verschiedenen Herausforderungen wie den Nachwirkungen der Coronakrise am Arbeitsmarkt, geopolitischen Spannungen und steigender Inflation. Das macht derart großzü­gige ­Abschlüsse schwierig. Man muss auch bedenken, dass sich aufgrund des Fachkräftemangels zuletzt auch die Kollektivvertragsgehälter in vielen Bereichen um acht bis zehn Prozent pro Jahr erhöht haben, was für Unternehmen eine zusätzliche Herausforderung darstellt.

GEWINN: Wie stehen Sie angesichts dieser Dynamik zur Idee einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich, die ja einige Unternehmen ­bereits umsetzen und viele Arbeitnehmer einfordern? Ist das auf Dauer realistisch?

Pramböck: Eine verkürzte Arbeits­woche kann funktionieren, wenn sie vernünftig strukturiert ist, zum Beispiel durch die Verteilung von 36 Arbeitsstunden auf vier Tage. Die Vorstellung, dass man weniger arbeitet und dennoch das gleiche Gehalt erhält, ist aus meiner Sicht aber unrealistisch. Ich habe erlebt, dass Unternehmen solche Modelle für kurze Zeit ausprobieren. Solange sie es sich leisten können und Effizienz und Produktivität gewährleistet sind, bleiben sie auch dabei. Ich kenne allerdings auch viele Unternehmen, die wieder zurückgerudert haben, weil es sich wirtschaftlich betrachtet einfach nicht ausgeht.

GEWINN: Also ist die 41-Stunden-Woche, wie sie derzeit vor allem von der Industrie gefordert wird, realistischer?

Pramböck: Also das kann ich mir auch nicht vorstellen. Meine Prognose ist, es bleibt auf absehbare Zeit einmal so, wie es derzeit ist. Was ich aber eher am Markt erlebe, ist ein Trend zu Gehaltskürzungen insbesondere bei jenen Unternehmen, denen das Wasser schon bis zum Hals steht. Da sind Kürzungen der Gehälter um bis zu zehn Prozent und bei Führungskräften um bis zu 20 Prozent immer öfter als alternative Maßnahme zu Kündigungen im Gespräch.

GEWINN: Können Sie sich erinnern, wann zuletzt ernsthaft über Gehaltskürzungen nachgedacht wurde?

Pramböck: Zuletzt war das in der Bankenkrise 2008 der Fall. Danach gab es viele Jahre Gehaltssteigerungen zwischen zwei und fünf Prozent. Wenn aber alle Mitarbeiter plötzlich um zehn Prozent mehr verdienen, und das Jahr für Jahr in Folge, geht sich das für zahlreiche Unternehmen irgendwann eben nicht mehr aus.

GEWINN: Also dreht sich der Markt wieder zugunsten der Arbeitgeber?

Pramböck: Was die zuletzt bezahlten Rekordgehälter betrifft, würde ich sagen: Ja. Aber nicht, weil die Unternehmen ihren Mitarbeitern nichts gönnen, sondern weil sie es sich in vielen Branchen schlichtweg nicht mehr leisten können.

GEWINN: In der aktuellen Arbeitsmarkt-Kompass-Studie von Marketagent und Leitbetriebe Austria erwarten sich die Befragten bei einem Jobwechsel eine Gehaltserhöhung von 28 Prozent. Die ist dann wohl eher nicht mehr drin …

Pramböck: Also das wäre schon sehr gut verhandelt. Ich sehe es eher im Bereich von zehn bis maximal 20 Prozent. Und natürlich auch in Abhängigkeit von der jeweiligen Branche. Bei Banken und Energieversorgern, wo die Gewinne derzeit sprudeln, stehen die Chancen auf höhere Gehälter bei einem Wechsel in diese Branchen ­besser. In den jetzt krisengebeutelten Immobilienunternehmen und in der Bauwirtschaft wird es eher schwierig. Ebenso in Hotellerie und Gastronomie, wenngleich die Gehälter auch dort ­wegen fehlender Fachkräfte zuletzt gestiegen sind.  

GEWINN: Wie haben sich die Gehälter in den letzten Jahren ganz generell verändert?

Pramböck: In den Jahren 2021 und 2022 gab es einen regelrechten Boom, vor allem in den Bereichen IT, Technik, Finanzen und Vertrieb. Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten gehabt, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, während ihre Auftragsbücher prall gefüllt waren. Das hat zu deutlichen Gehaltssteigerungen geführt, oft im Bereich zwischen 30 und 50 Prozent. Ab etwa 2023 war dann die gläserne Decke erreicht, und mindestens die Hälfte der österreichischen Unternehmen haben gesagt: „Das geht sich bei uns kostenseitig nicht mehr aus.“ Mit Anfang 2024 hat sich die Situation noch weiter verschärft, da sind dann Kündigungen ausgesprochen und eben auch Gehaltskürzungen thematisiert worden, da Österreich im internationalen Wettbewerb immer weniger konkurrenzfähig geworden ist.

GEWINN: Welche Gehälter sind in ­absoluten Zahlen über alle Branchen gesehen derzeit überhaupt noch drin?

Pramböck: Das hängt von Bildung, Qualifikation und Erfahrung ab. Die Einstiegsgehälter für Bachelor- und Master-Absolventen haben sich beispielsweise über zehn Jahre hinweg im Bereich zwischen 30.000 und 35.000 Euro brutto pro Jahr eingependelt. Derzeit liegen sie zwischen 40.000 bis 45.000 Euro jährlich. Das sind realistische Gehälter. Bringt man mit einer solchen Ausbildung mehr als 15 bis 20 Jahre Berufserfahrung mit, kann man bei entsprechender Leistung durchaus ein Jahresgehalt von 70.000 bis 80.000 Euro erreichen. In diesem Gehaltsbereich gibt es auch noch genügend Angebote. Jobs jenseits der 100.000 Euro sind schon schwerer zu bekommen, auch weil teilweise in den Führungsebenen gespart wird.

GEWINN: Und wie sieht es bei den Verdienstmöglichkeiten für weniger qualifizierte Bewerber aus?

Pramböck: Grundsätzlich gilt, dass jeder am Arbeitsmarkt gute Chancen hat, der eine Ausbildung abgeschlossen hat. Mitarbeiter ohne Abschluss haben in Krisensituationen immer die deutlich schlechtesten Karten. Doch selbst Mitarbeiter mit Lehrabschluss, vor allem in den technischen Branchen, sind laufend gefragt, etwa Schlosser oder Elektriker. Die Gehälter liegen meist zwischen 35.000 und 50.000 Euro brutto pro Jahr.

GEWINN: Wenn es beim Gehalt nicht mehr so viel Verhandlungsspielraum gibt, wo können Unternehmen sonst noch ansetzen, um Mitarbeiter für sich zu gewinnen? Bei den angebotenen Zuckerln ist das Angebot ja schon sehr vielfältig.

Pramböck: Die Ansprüche der Mitarbeiter sind definitiv gestiegen, und es gibt eigentlich an Zuckerln fast nichts, was es noch nicht gibt. Besonders stark von Bewerbern nachgefragt werden aktuell die zwei großen Themen Gesundheit und Mobilität. Also alles von einer eigenen Kantine mit gesunden Speisen über Restaurantgutscheine bis hin zum Bezahlen der Jahreskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel oder eine vergünstigte Fitnessstudiomitgliedschaft.

GEWINN: Und welche Rolle spielen flexible Arbeitszeiten und das Thema Homeoffice?

Pramböck: Das spielt nach wie vor eine wichtige Rolle für Bewerber. Allerdings hat es auch hier wieder Bewegung gegeben von dem Wunsch nach 100 Prozent Homeoffice in Coronazeiten bis hin zu zwei bis drei Tagen pro Woche, die jetzt in den meisten Unternehmen Standard sind. Das alles hilft aber auch nichts, wenn das Arbeitsumfeld nicht stimmt und der Job keinen Spaß macht. Außerdem gewinnen Entwicklungsmöglichkeiten und Weiterbildung immer stärker an Bedeutung. Im Übrigen ist das besonders für Mitarbeiter ab 40 Jahren plus spannend, denn neben der Heraus­forderung, junge Menschen für Vollzeitjobs zu finden, wird es für Unternehmen auch immer schwieriger, die erfahrenen Mitarbeiter zu halten. Die wenigsten von ihnen wollen Führungskräfte werden, sondern sich fachlich, beruflich und gehaltlich weiterentwickeln.

GEWINN: Apropos Entwicklung: Mit welchen Ergebnissen rechnen Sie bei den kommenden KV-Verhandlungen?

Pramböck: Also ich gehe von vier bis fünf Prozent aus. Abschlüsse, wie zuletzt zwischen acht und zehn Prozent sind nicht mehr zu erwarten und wird es in den nächsten zehn bis 20 Jahren auch nicht mehr geben, weil es sich schlichtweg keiner mehr leisten kann. Längerfristig betrachtet werden sich die Steigerungen voraussichtlich im Bereich von zwei bis vier Prozent einpendeln, und die Arbeitsmarktchancen werden stark von der Branche und der Qualifikation abhängen.

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