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Porträt Gerd Kommer© Gerd Kommer Invest GmbH/Tanja Alde

Kommer spricht Klartext

Warum KI die Welt verändern wird, aber nicht die Welt des Investierens

Künstliche Intelligenz wird weder als Anlagethema noch als Werkzeug beim Investieren auf Dauer ­einen Mehrertrag bringen.

Von Gerd Kommer in Kooperation mit Luca Stagnitti

18.06.2024

Wenige andere Themen haben in den letzten 24 Monaten so viele Schlagzeilen in den Finanzmedien produziert wie künstliche Intelligenz (KI). Aus Privatanlegerperspektive stellen sich zu KI vor allem diese zwei Fragen: „Wird KI ein Gamechanger beim Investieren sein?“ und, wenn ja: „Wie wird KI die Gesetze der Geldanlage verändern?“

Ist KI neu?

Nein, KI existiert seit über 60 Jahren. KI als reales wirtschaftliches Phänomen und nicht nur als Idee in der Literatur hatte vermutlich ihren Ursprung in dem bahnbrechenden Aufsatz „Computing Machinery and Intelligence“ des britischen IT-Genies Alan Turing im Jahr 1950. Historisch gab es für das, was heute KI oder AI (Artificial Intelligence) heißt, zum Teil andere Bezeichnungen, beispielsweise „Expertensysteme“, „neuronale Netzwerke“, „Large Language Systems“ und „Machine Learning“.

KI ist also nicht neu. Neu erscheint uns KI primär deswegen, weil der Launch des in der Basisversion kostenlosen KI-Chatbots ChatGPT im November 2022 KI erstmalig und umfassend ins Bewusstsein der allgemeinen Öffentlichkeit katapultierte.

Wie stark wird der Effekt auf die Realwirtschaft sein?

Mit „transformatorischem Effekt“ ist eine strukturelle Erhöhung des globalen Wirtschaftswachstums und damit wohl auch der privaten Haushaltseinkommen durch KI gemeint. Manche KI-Enthusiasten und (Möchtegern-)Experten für „disruptive Technologien“, „AI-Singularity“ und „Tech als Megatrend“ halten es für möglich, dass KI die Menschheit in ein neues wirtschaftliches Shangri-La führen wird.

Dazu wird es unseres Erachtens nicht kommen. KI wird möglicherweise „nur“ helfen, die negativen Wachstumseffekte partiell auszugleichen, die aus demografischen Entwicklungen und den Kosten für die Bekämpfung des Klimawandels resultieren. Aber wenn wir viel Glück haben, wird KI das Wirtschaftswachstum in den kommenden rund zehn Jahren vielleicht tatsächlich etwas erhöhen.

Warum sind wir so skeptisch? Es gab seit Beginn der industriellen Revolution um etwa 1770 und davor unzählige technologische Innovationen, die für das menschliche Dasein im Rückblick tatsächlich transformatorisch waren, aber dennoch für sich genommen keine messbare Erhöhung des Wirtschaftswachstums auslösten. Man denke beispielsweise an die Druckerpresse, die Dampfmaschine, Elektrizität, Eisenbahn, Kunstdünger, Beton, Antibiotika, Computer und unzählige andere Innovationen, die unsere wirtschaftliche Existenz dramatisch verbesserten und die Lebenserwartung des durchschnittlichen Menschen auf diesem Planeten seit Mitte des 19. Jahrhunderts verzweieinhalbfachten.

Warum die verbreitete Denke „Große Erfindungen lösen große und insbesondere messbare realwirtschaftliche Effekte und diese wiederum große Investmenteffekte aus“ in dieser Form falsch ist, erläutern wir weiter unten.

Welche zwei Ansätze muss man beim Investieren unterscheiden?

Aus einer praktischen Anlegersicht kann man differenzieren zwischen a) Investieren in Unternehmen, die mit Produkten und Dienstleistungen rund um KI Geld verdienen, sowie b) Investieren mit KI-Unterstützung. Das sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Wege, KI in der Vermögensanlage zu nutzen.

Zunächst zu einer Einschätzung von Weg a): Auf dem deutschsprachigen ETF-Markt wurden Ende Mai 2024 sechs passive Aktien-Themen-ETFs angeboten, die AI-Indizes replizieren. Zwei waren noch sehr neu und wiesen daher keine sinnvoll interpretierbare Renditehistorie auf. Vier hatten eine Historie von immerhin zwischen viereinhalb und fünfeinhalb Jahren. Alle vier dieser ETFs haben im Vergleich zu breiter diversifizierten, allgemeinen US-Tech-ETFs oder globalen Tech-ETFs in den viereinhalb Jahren bis Ende Mai 2024 deutlich schlechter abgeschnitten.

Im größeren US-ETF-Markt existierten zum Zeitpunkt unserer Datenbankabfrage elf aktiv und passiv gemanagte (indexbasierte) AI-ETFs mit mindestens fünfjährigem Track-Record und der Bezeichnung „Artificial Intelligence“ oder „AI“ im Namen. In den fünf Jahren bis zum 31. Mai 2024 betrug die durchschnittliche Rendite dieser elf AI-ETFs 8,4 Prozent p. a. (in USD) gegenüber einem ETF auf den allgemeinen US-Tech-Index Dow Jones U.S. Technology Index mit einer Rendite von 24,9 Prozent p. a.

Die Zahlen für in Deutschland und in den USA vertriebene KI-ETFs deuten also nicht darauf hin, dass Investieren in AI-bezogene Unternehmen einen „Gamechanger“ darstellt – eher das Gegenteil.

Investieren mit KI-Unterstützung

Nun zu Weg b), dem allgemeinen Investieren mit Unterstützung durch KI-Tools und -Techniken. Der Eurekahedge-AI-Hedge-Fund-Index bildet aktiv gemanagte Hedgefonds ab, die in ihrer offiziellen Anlagestrategie KI-Techniken einsetzen – entweder um Tradingprozesse zu effektivieren, oder sogar um direkt bei Anlageentscheidungen zu helfen.

Diese Art von KI-Nutzung in der Finanzbranche findet schon seit weit mehr als 20 Jahren statt, ist also ebenfalls nicht neu. In der folgenden Tabelle vergleichen wir die Rendite und das Risiko dieses Index mit zwei einfachen passiven Benchmarks. Die Zahlen in der Tabelle sprechen so klar für sich, dass sie keiner weiteren Erläuterung bedürfen.

KI-Hedgefonds Tabelle

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