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Nachbericht der MMM-Fachtagung vom 7. November 2023
Ohne Ökologie keine Ökonomie
Die GEWINN-MMM-Fachtagung, die mit Fokus auf die neuesten Trends im Handel zweimal im Jahr im Arcotel Wimberger im siebenten Wiener Gemeindebezirk stattfindet, hatte auch dieses Mal wieder zahlreiche Highlights zu bieten. Eines davon lieferte Unternehmer Hannes Jagerhofer, bekannt als „Mr. Beachvolleyball“, mit seiner Crowdlogistik-Lösung Myrobin. Die Idee: Menschen, die ohnehin aus beruflichen oder privaten Gründen auf Österreichs und Deutschlands Straßen unterwegs sind, als Transporteure von Paketen einzusetzen. Diese erhalten dafür einen Fahrtkostenzuschuss. „Mit diesem Modell kann der CO2-Fußabdruck um 70 Prozent reduziert werden. Aktuell wird ein Paket, das man von Wien nach München schickt, zuerst von einem Lkw abgeholt, in ein Verteilzentrum außerhalb Wiens gebracht, von dort mit einem Lkw weiter nach Bratislava befördert und dann mit dem Flugzeug mehr als 500 Kilometer zurück nach München geliefert. Das ist doch nicht sinnvoll“, so Jagerhofer. Dass die Idee funktioniert, bestätigte sich bereits vor einigen Jahren. Nach der erstmaligen Vorstellung des Projekts zählte man in nur sechs Monaten 20.000 registrierte Fahrer und 60.000 zugestellte Pakete. Der Widerstand aus der Logistikbranche sorgte für einen vorübergehenden Stopp, nun startet Jagerhofer unter Einbezug der aktuellsten technologischen Lösungen Anfang Juni 2024 mit einem Logistikunternehmen in Augsburg (D) neu durch.
Investitionen in Klimaschutz
Dass es auf dem Weg zur Energiewende innovative Ideen braucht, untermauerte auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Sie machte deutlich, dass wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftliche Verantwortung einander nicht ausschließen, sondern – ganz im Gegenteil – miteinander Hand in Hand gehen. Die aktuellen Herausforderungen rund um Klimaschutz und globale Unsicherheiten erfordern mehr denn je gemeinsame Lösungen, die aktiv anzugehen sind. Gewessler: „Den Kopf in den Sand zu stecken wäre vielleicht manchmal leichter, ist aber weder verantwortungsvoll noch vorausschauend.“ Dass man dem Handel hier viel abverlange, wisse sie. Umso mehr lobte sie die Kooperation und das Engagement, das dieser an den Tag lege. Denn jede effiziente und gezielte Investition in Energieeffizienz, die Eindämmung der Lebensmittelverschwendung und Kreislaufwirtschaft (Stichwort Einwegpfand) sei ein wertvoller Beitrag für die Erreichung von sowohl ökonomischen als auch Umweltschutzzielen.
Entscheidungsgrundlage Nachhaltigkeit
Dass man diesen Weg auch im Diskont beschreitet, zeigte Alessandro Wolf, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Lidl Österreich, auf. „Nachhaltigkeit muss die Basis jeder Entscheidung sein, die wir im Unternehmen treffen“, betonte der Manager, der im Sommer 2024 als CEO von Lidl Schweiz in seine Heimat zurückkehrt (gewinn.com hat in der Rubrik Aufsteiger berichtet). Jedes einzelne Lebensmittel, das weggeworfen werden müsse, sei nicht nur Ressourcenverschwendung, sondern auch ein finanzieller Verlust. Der Einsatz von KI-Technologie biete hier großes Potenzial. Wie wichtig das Thema Klimaschutz für den Diskonter mit 252 Filialen und 5.800 Mitarbeitern ist, unterstreicht auch der Beitritt zum Klimaaktivpakt des Umweltschutzministeriums. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 50 Prozent reduziert werden und der Fuhrpark elektrobetrieben sein. Mit dem Umstieg auf elektronische Preisschilder spare man zudem zwölf Millionen A4-Papierpreisschilder pro Jahr ein. Eine große Herausforderung sei aktuell der Mitarbeitermangel, dem man mit mehr Flexibilität und einer Umverteilung der Aufgaben begegne. So ist für 2024 ein Test mit Self-Check-out-Kassen geplant. Wolf plädierte im Sinne von mehr Transparenz auch für ein einheitliches Tierwohlprogramm aller Händler sowie für die Einführung des Nutri-Scores.
Kein Körberlgeld für Lebensmittelhandel
Für Transparenz zu sorgen war auch das Ziel der Branchenuntersuchung Lebensmittel der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Insgesamt wurden 700 Handelsunternehmen und 1.500 Lieferanten angewiesen, ihre Daten offenzulegen. Befragt wurden darüber hinaus 1.000 Konsumenten. Natalie Harsdorf-Borsch, die nach zwei Jahren interimistischer Behördenleitung nun endlich auch offiziell zur Generaldirektorin bestellt wurde, präsentierte den knapp 270 Seiten umfassenden Bericht (kann bei Interesse hier downgeloadet werden: bwb.gv.at/downloads) nahezu druckfrisch. Die Kernergebnisse kurz auf den Punkt gebracht: Es wurden weder Hinweise auf Preisabsprachen gefunden, noch konnte festgestellt werden, dass sich der Handel an der Inflation bereichert hat. Aber: „Die Untersuchung zeigt auch, dass vier von zehn Lieferanten angaben, mit unfairen Handelspraktiken konfrontiert gewesen zu sein. Und das ist für uns schon alarmierend, weshalb wir hier auch weitere Untersuchungen anschließen.“