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Von Krisenbewältigung und scheinheiligen Kunden
Ein guter Mietermix bringt’s: Das Auhof Center im Westen von Wien bietet neben Shops und ­Gastronomie auch ein Ärztezentrum.
© Auhof Center

Nachbericht der MMM-Fachtagung vom 4. Juni 2024

Von Krisenbewältigung und scheinheiligen Kunden

Die MMM-Fachtagung spannte in ihrer Frühlingsausgabe einen breiten Bogen über die ­neuesten Trends im Handel. Dabei ging es unter anderem um schrumpfende Shopflächen, scheinheilige Konsumenten, pflanzenbasierte Sortimente und die Kika-Leiner-Sanierung.

Von Michaela Schellner

25.06.2024

Zweimal jährlich lädt Georg ­Wailand, GEWINN-Herausgeber und Präsident des MMM-Clubs Österreich, Interessierte zur MMM-Fachtagung ins Arcotel Wimberger in den siebenten Wiener Gemeindebezirk. Bei dieser hochkarätigen Veranstaltung referieren Experten aus Praxis und Wissenschaft anhand von Fallbeispielen aus dem In- und Ausland über die neuesten Trends im Handel.

Diesmal mit dabei war Peter Schaider, Inhaber und Geschäftsführer des im Westen von Wien angesiedelten Auhof Centers und des Riverside im 23. Bezirk. Seiner Prognose nach haben in den derzeit herausfordernden Zeiten nur die besten Einkaufszentren mit einem ansprechenden Mietermix dauerhaft Überlebenschancen. Ein Supermarkt, eine Drogerie, Bekleidungsgeschäfte sowie Gastronomieangebote und Unterhaltung, etwa durch ein Kino, bilden eine gute Basis, im Auhof Center gibt es ­zudem ein Ärztezentrum. Dass neue Shoppingcenter gebaut werden, ist für Schaider insbesondere in Wien sehr unwahrscheinlich, die Finanzierung sei aufgrund der gestiegenen Quadratmeterpreise kaum mehr möglich.

Bei Fachmarktzentren rechnet der Handelsexperte mit einem Rückgang von 20 Prozent, weil davon einfach zu viele existierten, die einander zudem noch Konkurrenz machen. Mit Kritik spart der Handelsexperte auch nicht bei ­einer speziellen Konsumentengruppe. „Onlinekäufer sind Arbeitsplatz- und Umweltvernichter“, so Schaider, der aber auch die Mitarbeiter im statio­nären Handel in die Pflicht nimmt. „Wenn man die Kunden nicht gut behandelt, driften sie in den Onlinehandel ab. Das fängt beim Grüßen an und setzt sich im besten Service fort.“

Stockendes Flächenwachstum und stabile Immobilienpreise

Schaiders Ausführungen aus der ­Praxis bestätigte Hannes Lindner, ­Geschäftsführer des unabhängigen Beratungsunternehmens Standort + Markt. Dass Handelsflächen ihre Wachstumsgrenzen erreicht haben, belegen die Zahlen aktueller Erhebungen. Während bei Shoppingcentern kaum mehr etwas geht – seit 2021 kamen lediglich drei neue Fachmarktzentren hinzu –, waren die Fachmarkt-Agglomerationen (dabei handelt es sich um mehrere räumlich benachbarte Fachmärkte, die jedoch keinem gemeinsamen Centermanagement unterstehen und keine einheitliche Planung erkennen lassen, Anm.) die stillen Gewinner der Krise. Durch die Kika-Leiner-Pleite kam es aber auch hier erstmals zu einem Schrumpfen der Verkaufsfläche. Die Leerstände bewegen sich laut Lindner mit 4,6 Prozent bei Shoppingcentern und rund vier Prozent bei Fachmarktagglomerationen (bereinigt um Kika/Leiner) auf einem moderaten Niveau, weil frei gewordene Flächen häufig alternativ genutzt werden. Insbesondere in den Städten würden diese mit Ärztezentren, Wohnungen oder auch Dienstleistungen bespielt. In Shoppingcentern wiederum steigt der Anteil von Diskontern deutlich an. Was die Zahlen ebenfalls ans Licht brachten: In Innenstädten verliert der Handel immer stärker an Bedeutung.

Johannes Endl, Vorstand bei ÖRAG Immobilien, beleuchtete die Entwicklung im Handel aus Immo­biliensicht und knüpfte an die Aus­sagen Lindners an. 2023 war Endls ­Daten zufolge erneut ein schwieriges Jahr für den Immobilienmarkt. Es gab nur wenige Transaktionen, die hauptsächlich unter Druck erfolgt sind. Das betrifft auch Handelsimmobilien – als Beispiel nannte er die Signa-Verkäufe des Meinl-Hauses am Graben oder des Apple-Hauses auf der Kärntner Straße, beide in Wien. Außerdem sind die Preise für Handelsobjekte insbesondere in schlechteren Lagen gesunken; in Toplagen blieben sie hingegen stabil oder verzeichneten einen Anstieg. Den Daten ebenfalls zu entnehmen ist, dass der Onlinehandel den Markt stark beeinflusst und zusätzliche Logistik­flächen, vor allem im Bereich der „letzten Meilen“ notwendig ­werden.

Restrukturierung: Kika/Leiner hat viele Baustellen

Zur angesprochenen Kika-Leiner-Pleite nahm Volker Hornsteiner Stellung. Der langjährige Billa-Manager dockte im Sommer 2023 als Mitglied der Geschäftsführung beim in die Insolvenz geschlitterten Möbelhändler an und ist seitdem mit dessen Restrukturierung beschäftigt. Von den 40 Standorten mussten 23 geschlossen werden, mit den verbleibenden 17 versuche man nun, in der Nische wieder Fuß zu fassen. Verantwortlich für die Bereiche Personal, Marketing, Vertrieb und Vertriebsorganisation erklärte Hornsteiner mit überraschender Offenheit: „Filialen zuzusperren, ist keine unternehmerische Leistung.“

Auch wenn man sich auf dem Weg der Besserung befinde, gebe es noch immer große Herausforderungen – insbesondere im Vertrieb, im Einkauf, im ­Marketing und in der IT. Vor allem in Letztgenannte wurde jahrelang nichts investiert, 130 Schnittstellen zum Hauptsystem würden dies eindrucksvoll aufzeigen. Wenig Freude bereitet Hornsteiner die Anpassung der Personalkosten an die Umsätze, aber: „Ich passe lieber die Personalkosten dem Unternehmen an und rette 1.500 Arbeitsplätze, bevor wir in zwei Jahren 1.500 Leute auf die Straße setzen müssen.“ Dass man nach wie vor zwei Homepages betreibt, liegt am fehlenden Budget. „Wir müssen darauf fokussieren, unsere Mitarbeiter bei der Stange zu halten und das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen.“ Mit der neuen Eigenmarke Oho im Preiseinstieg will man künftig auch eine jüngere Klientel ansprechen.

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