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„Bisher wäre es falsch gewesen, an der Börse auf Panik zu setzen“© ERSTE Asset Management/Daniel Hinterramskogler

Interview mit Gerold Permoser

„Bisher wäre es falsch gewesen, an der Börse auf Panik zu setzen“

Gerold Permoser, Veranlagungschef der Erste Asset Management, beschreibt, wie sich der Krieg auf die Börsen auswirkt und welche Themen die Märkte heuer noch bewegen könnten.

Von Martin Maier

30.03.2022

GEWINN: Kam der Angriff Russlands auf die Ukraine für Sie überraschend?

Permoser: Wir hatten bereits im November des Vorjahres am Radar, dass Russland große Truppenkontingente an der ukrainischen Grenze zusammenzieht. Daher begannen wir, die Gewichtung in russischen Aktien und Anleihen, die wir davor übergewichtet hatten, zu reduzieren. Allerdings reduzierten wir die Russland-Gewichtung nur in geringem Umfang, weil aus unserer Sicht die Hoffnung bestand, dass das, was jetzt passiert, nicht passieren kann. Darin haben wir uns wie viele andere auch aber getäuscht. Generell sind die Finanzmärkte laut wissenschaftlichen Untersuchungen gar nicht gut darin, derartige katastrophale geopolitische Ereignisse vorherzusagen, weil diese häufig von einer einzigen Person abhängen.

GEWINN: Welche Auswirkungen hat dieser Krieg auf die Wirtschaft?

Permoser: Kurzfristig könnten wir schwächeres Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig höherer Inflation sehen. Denn Russland ist einer der wichtigsten Öl-, Getreide- und Metalllieferanten. Dazu kommen Lieferausfälle in weiteren Bereichen und Unterbrechungen der Handelsströme. Aufgrund dieser Entwicklung müssen wir bisherige Konjunkturprognosen nach unten revidieren, und gleichzeitig führen höhere Inputpreise auch zu höherer Inflation.

GEWINN: Könnten diese Entwicklungen eine Rezession auslösen?

Permoser: Der wirtschaftliche Impact ist in Europa am stärksten, je weiter weg, desto geringer werden die Auswirkungen. Die US-Notenbank Fed etwa hat unlängst ihre Prognose für das BIP-Wachstum im heurigen Jahr von vier auf 2,8 Prozent reduziert. Aber selbst für die europäische Wirtschaft nehmen wir an, dass ein Abdriften in eine Rezession vermieden werden kann. Auch der Internationale Währungsfonds und die Weltbank kommen in ihren aktuellen Analysen zu einem ähnlichen Ergebnis.

GEWINN: Es haben sich bei Ausbruch des Krieges Leser mit der Frage an uns gewandt, ob man angesichts des Konflikts und seines ungewissen Ausgangs Aktien verkaufen sollte. Was hätten Sie diesen GEWINN- Lesern geantwortet?

Permoser: Hätte man am Tag vor Ausbruch der Ukraine-Krise in einen globalen Aktienindex wie den MSCI World oder MSCI All Country World investiert, so wäre dieses Aktieninvestment aus Sicht eines Euro-Anlegers heute bereits wieder deutlich im Plus. Bisher wäre es also falsch gewesen, an der Börse auf eine Panik zu setzen. Und das haben wir im Fondsmanagement auch nicht gemacht.

GEWINN: Deutlich schlimmer hat es aber naturgemäß die Moskauer Börse erwischt, die kurz nach Kriegsausbruch den Handel nach massiven Verlusten eingestellt hat. Welche Bedeutung hat der russische Aktienmarkt?

Permoser: Im Weltaktienindex MSCI All Country, der sowohl Industrie- als auch Schwellenländer umfasst, haben die Industrieländer einen Anteil von ungefähr 80 Prozent und die Schwellenländer nur ein Fünftel. Und innerhalb dieses wesentlich geringeren Anteils sind russische Aktien wiederum nur in sehr geringem Umfang enthalten. Der russische Aktienmarkt ist im internationalen Vergleich damit nicht besonders groß. So lag die gesamte Marktkapitalisierung vor dem Krieg per Ende Jänner bei lediglich 622 Milliarden US-Dollar. Mit Gazprom hatte nur ein Unternehmen eine Marktkapitalisierung von mehr als 100 Milliarden US-Dollar. Allein Microsoft hatte vor dem Krieg mit 2,3 Billionen Dollar eine fast viermal so hohe Marktkapitalisierung wie die gesamte Moskauer Börse. Und der russische Aktienmarkt war aufgrund seines hohen Anteils von Rohstoffunternehmen immer schon sehr zyklisch. Daher hat es auch keine breite Auswirkung auf die Stabilität des globalen Aktienmarktes. Dafür ist dieser Markt einfach zu klein und zu speziell.

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