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Energie und Rohstoffe
Das Bergwerk in der Stadt
Vom Ferry-Dusika-Stadion ist nichts mehr übrig. Wo früher Bahnradfahrer ihre Runden drehten und Leichtathleten trainierten, werkten bis vor wenigen Monaten schwere Abbruchbagger. Dank Baukarussell leben Teile des legendären Stadions aber weiter. Das Unternehmen wurde für den Rückbau des Gebäudes beauftragt. 20.000 Kilo an Re-Use-Produkten, also Dinge, die wiederverwendet werden können, wurden in 3.300 Arbeitsstunden ausgebaut. Unter anderem wurden 1.100 Tribünenstühle abgeschraubt und an private und gewerbliche Abnehmer weiterverkauft. Baukarussell nennt das Social Urban Mining. Das hilft nicht nur der Umwelt, sondern auch Menschen, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Beim Rückbau arbeiten Langzeitarbeitslose oder Menschen mit Behinderung mit. Seit der Gründung 2016 waren es 28.700 sozialwirtschaftliche Arbeitsstunden, die von 160 Personen in den Rückbau-Teams geleistet wurden.
Das massive Stahlbetonskelett des Stadions konnte man freilich nicht auseinanderschrauben. Hier rückten die Profis des niederösterreichischen Abbruchspezialisten Hans Zöchling GmbH an. 28.800 Tonnen Beton und 2.000 Tonnen Stahl waren im Stadion verbaut. Sämtliche Materialien aus dem Abbruch werden durch mobile Recycling-Anlagen direkt am Standort aufbereitet und danach wieder im Neubau eingesetzt bzw. wiederverwertet. Junior-Chef Johannes Zöchling rechnet vor: „Bei unseren Rückbauprojekten erreichen wir Wiederverwertungsquoten zwischen 90 und 98 Prozent.“ Mineralische Abfälle wie Beton oder Ziegel werden mit eigenen Behandlungsanlagen aufbereitet und dem Sekundärrohstoffmarkt als Recycling-Materialien wieder zugeführt. Wertstoffe wie Aluminium, Kupfer oder Eisenschrott werden durch das Tochterunternehmen Primaras Handels GmbH verwertet und als Rohstoff für Metallerzeugnisse der Industrieverarbeitung eingesetzt.
„Was früher Abfall war und die Menschen nicht mehr haben wollten, ist nun begehrt. Neue Konzepte wie Urban Mining führen es dem Sekundärrohstoffmarkt zu“, erklärt Baumeister Günter Sandhacker, Geschäftsführer von Zöchling. Vor allem große Objekte wie Sportstätten, Industriebauten, Bürogebäude oder Kraftwerke erweisen sich als ergiebige Quellen für „städtischen Bergbau“.
Vom Paternoster bis zum Recyclingbeton
Die Bandbreite der wiederverwertbaren Schätze, auf die man in den Abbruchobjekten stößt, ist groß: Manchmal sind es außergewöhnliche Gegenstände wie Aufzugkabinen eines Paternosters aus dem Campus der Medizin-Uni in Wien oder ein Stiegengeländer aus dem ehemaligen Leiner auf der Mariahilfer Straße, die in einem anderen Gebäude ein neues Zuhause finden. Es können aber auch klassische Dinge wie Parkettböden, Dachstühle, Radiatoren, Vollziegel oder Dachziegel sein, die sich gut einer neuen Nutzung zuführen lassen.
Ebenso können Baumaterialien aufbereitet und wiederverwendet werden. Ein Beispiel dafür ist der neue kreislauforientierte Vormauerziegel Ciclobrick von Wienerberger. Dieser wird in enger Zusammenarbeit mit New Horizon, einem niederländischen Urban-Mining-Spezialisten, hergestellt. Dafür werden 20 Prozent keramische Restmaterialien aus Abbruchhäusern gemahlen und dem Basisrohstoff Ton beigemischt. Mit diesem Verfahren sollen keramische Abbruchabfälle reduziert und Abfall vermieden werden. Ein weiteres Beispiel führt Jakob Lederer von der TU Wien an: „Große Recycling-Beton-Hersteller, allen voran die Firma Wopfinger Transportbeton aus Niederösterreich, aber auch Deisl-Beton aus Salzburg oder Hasenöhrl Beton aus Oberösterreich, treiben die Innovation im Bereich nachhaltige Bauprodukte voran.“
Lederer ist Leiter des Christian Doppler Labors für recyclingbasierte Kreislaufwirtschaft an der TU Wien und beschäftigt sich umfassend mit der Gewinnung von Sekundärrohstoffen. „Bei Ressourcen, die von Menschenhand geschaffen sind, sprechen wir von anthropogenen Ressourcen. In Städten sind diese in hoher Dichte und Konzentration vorhanden.“ Gemeinsam mit seinem Team erfasst er jene Daten, die alle Werte in kg/m3 Rauminhalt bzw. kg/m2 Nutzfläche angeben.