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Interview mit Marc Friedrich
„Die größte Revolution aller Zeiten“
GEWINN: Der Titel Ihres jüngsten Buchs lautet „Die größte Revolution aller Zeiten“. Was ist das denn aus Ihrer Sicht?
Friedrich: Die größte Revolution betrifft unser Geld. Weltweit verwenden wir überall im Wesentlichen das gleiche Geldsystem. Nämlich ein ungedecktes Papiergeldsystem, das planwirtschaftlich von Zentralbanken gesteuert wird. Wenn wir es schaffen würden, ein neues, dezentrales Geldsystem auszurollen, das unabhängig von Staat und Notenbanken ist, dann wäre das tatsächlich die größte Revolution aller Zeiten. Denn dann hätten wir zum allerersten Mal ein demokratisches Geldsystem, das nicht alle 80 bis 100 Jahre scheitert, so wie es in der bisherigen Historie der Fall war.
GEWINN: Wir haben vor sieben Jahren schon einmal in einem Interview über dieses Thema gesprochen. Da hatten Sie gemeint, Sie geben dem Euro noch maximal fünf Jahre. Jetzt ist das sieben Jahre her, und den Euro gibt es immer noch – obwohl es in dieser Zeit gewaltige Turbulenzen gab. Vielleicht ist das Geldsystem, das aus Ihrer Sicht sehr instabil ist, doch resilienter …
Friedrich: Hätten Sie mir damals gesagt, dass man während des Spiels alle Spielregeln ändert, hätte ich natürlich den Zeitrahmen anders gesteckt. Fakt ist, die EZB hat den Euro nur noch am Leben erhalten, indem sie ihre Bilanzen auf Billionen hochgepumpt hat. Wir waren bei knapp neun Billionen Euro. Das ist eine unglaubliche Summe. Und parallel wurden alle Gesetze gebrochen, die man sich selbst auferlegt hat. Ich möchte nur die Maastrichter Kriterien nennen, die wurden allesamt gebrochen. Ansonsten wäre der Euro schon längst passé. Die Frage ist nicht, ob der Euro scheitert, sondern lediglich, wann.
GEWINN: Die EZB und auch andere Notenbanken haben tatsächlich ihre Bilanzsummen stark ausgeweitet, in erster Linie als Reaktion auf die Coronapandemie, um Liquiditätsengpässen entgegenzuwirken. Mittlerweile ist die Coronapandemie zum Glück vorüber, und die EZB hat im Vorjahr begonnen, die Bilanzsumme wieder zu verringern – auf mittlerweile unter sieben Billionen Euro. Das ist natürlich immer noch viel, aber es ist jetzt nicht so, dass man von stetig steigenden Bilanzsummen ausgehen kann. Das heißt, es gibt auch wieder einen Weg zurück. Oder sehen Sie den nicht?
Friedrich: Natürlich gibt es einen Weg zurück. Aber die Frage ist, mit welchen Kollateralschäden. Und wir sehen ja, dass die hohen Zinsen und die Reduzierung der Notenbankbilanzen doch einiges an Schaden anrichten. Wir haben Rekordzahlen bei Unternehmensinsolvenzen, weil die Zombieunternehmen, die während der Niedrigzinsphase angezüchtet worden sind, jetzt umkippen. Wir hatten auch eine Fehlallokation von Vermögen, also Spekulationsblasen, die dann immer wieder platzen. Und ich habe eine Grafik im Buch, die ganz klar aufzeigt, dass der Euro seit Einführung knapp 39 Prozent an Kaufkraft verloren hat.