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Berufsbild Nachhaltigkeitsmanager
„Es braucht mehr Bewusstseinsbildung“
Isabella Melbinger arbeitet seit Dezember 2019 als strategische Nachhaltigkeitsmanagerin bei Greiner, einem weltweit führenden Hersteller für Kunststoff- und Schaumstofflösungen mit Hauptsitz in Kremsmünster (OÖ). Die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft ist in den drei operativen Sparten Greiner Packaging (Verpackungslösungen), Neveon (Polyurethan-Weich- und -Verbundschäume für z. B. Polstermöbel oder den Mobilitätssektor) sowie Greiner Bio-One (Medizintechnikprodukte; auch die Vacuette-Röhrchen in den Corona-PCR-Gurgeltestkits stammen von Greiner Bio-One) tätig und hat 2021 mit 11.015 Mitarbeitern an 129 Standorten in 33 Ländern einen 104 Rekordumsatz von 2,27 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Von Kremsmünster nach Wien
Melbingers Arbeitsplatz befindet sich aber nicht in Kremsmünster, sondern in Wien. Dort hat Greiner im Februar 2021 einen zusätzlichen Bürostandort eröffnet, und zwar im Komplex Icon Vienna in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. „Ein Bahnhof vor der Bürotüre ist praktisch, denn alle zwei bis drei Wochen fahre ich nach Kremsmünster, um mich mit den Kollegen und Kolleginnen in der Zentrale zu vernetzen.“ Und: Die Steirerin hat ihren Lebensmittelpunkt neben Wien auch in Graz. Ihr zweites Zuhause erreicht sie mit dem Zug in rund 2,5 Stunden. Mittlerweile ist das Team in der Bundeshauptstadt auf knapp 90 Personen angewachsen. In Österreich arbeiten 2.135 Mitarbeiter.
Melbinger selbst ist Teil eines achtköpfigen Teams, das in der Abteilung Nachhaltigkeit und Kommunikation angesiedelt ist. Drei Kollegen sitzen in Kremsmünster, drei in Wien; außerdem gibt es noch zwei Trainees. Gemeinsam werden zahlreiche Projekte umgesetzt, denn „Unternehmen haben Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Wir müssen jetzt handeln“, macht die Nachhaltigkeitsmanagerin, die aktuell dabei ist, ihr Auto zu verkaufen, und ein Klimaticket nutzt, deutlich.
Aber: Kunststoffherstellung und Nachhaltigkeit? Wie das überhaupt zusammenpasst, ist häufig Thema in Gesprächen mit Freunden, wenn Melbinger von ihrem Job erzählt: „Die meisten können sich unter dem Jobprofil gar nichts vorstellen und wenn doch, dann bringen es die wenigsten mit einem Kunststoffkonzern in Verbindung. Aber gerade in diesem Bereich gibt es ja wahnsinnig viel Potenzial für Verbesserungen, die Greiner auch aktiv vorantreibt.“ Dabei konzentriert sich das Familienunternehmen im Zuge der 2020 ins Leben gerufenen Nachhaltigkeitsstrategie Blue Plan auf die drei großen Themenbereiche Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft und Menschen. Melbinger ist für die ökologische Nachhaltigkeit zuständig.
Herzensprojekt Grünstrom
Derzeit liegt ihr Hauptfokus auf dem Projekt Power Purchase Agreement (zu Deutsch Stromabnahmevereinbarung), ein Herzensprojekt, wie sie sagt. Worum es dabei geht? „Die Grundfrage ist, wie wir als Unternehmen 100 Prozent erneuerbaren Strom einsetzen können. Ich bin nun gerade dabei, zu evaluieren, ob wir einen Grünstromproduzenten bei der Erweiterung seines Grünstromparks unterstützen können, indem wir uns als Unternehmen zu einer langfristigen Stromabnahme verpflichten und somit den Ausbau erneuerbarer Energie fördern. Damit gehen natürlich einige Risiken einher, weil wir dann nicht von Stromlieferverträgen mit einer Laufzeit von ein bis zwei, sondern von zehn bis 15 Jahren sprechen“, so die 31-Jährige. Um diese Risiken bestmöglich abschätzen zu können, ist Melbinger im Austausch mit zahlreichen Kollegen unterschiedlichster Abteilungen und hat in Vorbereitung und zur Information eine Richtlinie für erneuerbaren Strom geschrieben. Berücksichtigt werden müssen nämlich zahlreiche Aspekte wie etwa die benötigte Stromliefermenge, Lastprofile, der Ort der Produktion, die versorgt werden soll, und vieles mehr.
Pro Jahr setzt die Nachhaltigkeitsmanagerin etwa vier bis fünf Projekte um. Genau sagen kann man das nicht, weil einige schneller abgeschlossen sind und andere über einen Zeitraum von mehreren Jahren laufen.
Sozialkompetenz und Resilienz
Welche Skills man für den Job als Nachhaltigkeitsmanagerin mitbringen muss? „Ich habe Umweltsystemwissenschaften in Graz studiert. Ich glaube nicht, dass das eine Voraussetzung ist, aber solide Kenntnisse im Bereich Nachhaltigkeit – unter anderem durch Weiterbildung – sollte man sich auf jeden Fall aneignen, auch um Greenwashing zu vermeiden“, betont Melbinger. Ebenfalls wichtig: sich in andere hineinversetzen zu können. „Die Ziele, die wir haben, stoßen nicht immer bei allen auf Gegenliebe, weil Nachhaltigkeit für sämtliche Abteilungen immer on top zu den eigentlichen Aufgaben dazukommt. Sozialkompetenz, Durchhaltevermögen, Resilienz und keine Scheu vor Konflikten zu haben, sind sicherlich hilfreiche Eigenschaften.“ In diesem Zusammenhang verweist sie auch noch auf ein Bewusstseinsbildungsprojekt, das kürzlich in Umsetzung ging. Dabei handelt es sich um ein weltweit ausgerolltes Programm, bei dem 15 Mitarbeiter unabhängig von Hierarchiestufe, Abteilung und Arbeitsort zu Klimabotschaftern ausgebildet werden. „Nachhaltigkeit kann nicht nur von der Nachhaltigkeitsabteilung betrieben werden, sondern muss im Interesse aller sein“, so Melbinger. Die vielen Bewerbungen für das Programm würden zeigen, dass immer mehr Kollegen etwas verändern wollen.
Natürlich gibt es auch Tätigkeiten, die Melbinger weniger Spaß machen. Dazu gehört trotz ihrer „Liebe zu Daten“ z. B. das Nachhaltigkeitsreporting. Im Großen und Ganzen betrachtet, kann sie sich aber keinen schöneren Beruf vorstellen, denn: „Wir leisten nicht nur einen aktiven Beitrag für die Umwelt, sondern bringen auch Menschen innerhalb des Unternehmens zusammen. Zu sehen, wie im ganzen Betrieb ein Transformationsprozess angestoßen wird, das ist eigentlich die größte Bereicherung.“