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OGH-Urteile
Gefährdungshaftung gegenüber einer Selbstmörderin
Die spätere Klägerin legte sich in Selbstmordabsicht quer zur Fahrbahnrichtung auf eine Landesstraße und wurde vom Auto der Beklagten überrollt und lebensgefährlich verletzt. Vor dem Unfall hatte ein entgegenkommender Fahrzeuglenker neben der auf der Straße liegenden Frau mit eingeschaltetem Abblendlicht und Warnblinkanlage angehalten. Als er die sich nähernde Erstbeklagte bemerkte, betätigte er mehrmals die Lichthupe, um sie zu warnen. Die Erstbeklagte, die durch die Lichthupe und das Abblendlicht mehrfach geblendet war, ging von einer Panne aus. Sie verlangsamte ihren Pkw auf Schrittgeschwindigkeit, nahm mit dem anderen Fahrzeuglenker Blickkontakt auf und überrollte schließlich die hinter dem Lichtkegel des anderen Fahrzeugs liegende und für sie nicht erkennbare Klägerin.
Der OGH (2 Ob 152/23a) bestätigte die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung der Beklagten nach dem EKHG. Denn die Sorgfalt im Sinn des § 9 Abs 2 EKHG ist nicht die gewöhnliche Verkehrssorgfalt, sondern die äußerste, nach den Umständen des Falls mögliche Sorgfalt. Die Beurteilung der Unterinstanz, dass ein besonders umsichtiger Lenker seine Fahrt selbst mit Schrittgeschwindigkeit nicht fortgesetzt hätte, ohne die befahrene Strecke einsehen zu können, ist nicht zu beanstanden. Der Klägerin war aber ein Mitverschulden von zwei Dritteln anzulasten.