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Interview
„Inflationsraten sollten schnell zurückgehen!“
GEWINN: Kann die Weltwirtschaft den Aufschwung auch im weiteren Jahresverlauf 2022 fortsetzen?
Zeuner: Ja, dieses Jahr wird im historischen Vergleich sehr gut, weil die Erholung von der Pandemie natürlich weiter voranschreiten wird. Hier ist noch viel Potenzial sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Kurzfristig wird zwar das Wachstum im Winter durch Lockdowns belastet. Aber das ist nur eine Zwischenphase. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte werden wir das hohe Wachstumstempo wieder aufnehmen.
GEWINN: Verläuft diese wirtschaftliche Erholung in den großen Wirtschaftsregionen ähnlich?
Zeuner: In Bezug auf die großen Regionen würde ich eher von einem Jahr der Angleichung sprechen. In den USA und in Europa gehen wir von Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts von vier bis fünf Prozent aus. Das ist im historischen Vergleich hoch. Dagegen sehen wir in China aufgrund des Umbaus der Volkswirtschaft, also insbesondere durch die Umgestaltung und Neuausrichtung im Immobiliensektor und aufgrund des hohen Entwicklungsstands Chinas eher einen Rückgang der Wachstumsraten in Richtung fünf Prozent. Insofern ist es eher eine Angleichung der Wachstumsraten.
GEWINN: Wie lange wird es dauern, bis die Volkswirtschaften nicht nur den Rückgang in der Corona-Pandemie, sondern auch das entgangene Wirtschaftswachstum aufgeholt haben?
Zeuner: In den USA hat man das bereits erreicht. Dort ist das Volkseinkommen schon über das Niveau gestiegen, das es vor der Pandemie hatte, als ob die Wirtschaft der USA normal weiter gewachsen wäre. Man könnte sagen, die USA sind schon wieder eingeschwenkt auf einen Wachstumspfad – um den Preis der höheren Inflation. Wir Europäer sind jetzt zwar nahe dran, das Niveau zu erreichen, das wir vor der Pandemie hatten. Aber von einem Wachstumspfad, so als ob es die Pandemie nicht gegeben hätte, davon sind wir noch ein bisschen entfernt.
GEWINN: Was sind aus heutiger Sicht die wichtigsten Faktoren bei Wirtschaftsprognosen für 2022?
Zeuner: Zurzeit ist sicherlich noch die Pandemie und ihre weitere Entwicklung über die nächsten sechs bis neun Monate an ganz vorderster Stelle. Dabei werden die Immunisierungsraten, also die Impfquoten, ein wichtiger Faktor bleiben, ob wir weiterhin im Stop-and-go-Modus unterwegs sind oder ob wir hier auf eine dauerhaftere und somit für die Unternehmen leichter planbare Fahrt einschwenken – gerade in jenen Ländern, wo die Impfquote noch nicht deutlich über die 70 Prozent hinaus gegangen ist. Gleichzeitig muss man aber festhalten, dass die Wirtschaft nicht mehr so sensibel reagiert wie noch im Jahr 2020. Und flächendeckende Lockdowns sind in Regionen mit einer Impfquote von über 70 Prozent auch nicht mehr sehr wahrscheinlich.