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Preise gestiegen –  raus aus dem Vertrag?
Preisgleitklauseln helfen – fehlen aber meist in ­bestehenden Verträgen.
© Miljan Zivkovic – GettyImages.com

Vertraglich absichern

Preise gestiegen – raus aus dem Vertrag?

Was vor Kurzem ein toller Auftrag war, stellt sich heute aufgrund der gestiegenen Kosten als unwirtschaftlich bis ruinös heraus. Kommt man als Unternehmer aus dem Vertrag noch irgendwie heraus? Und wie sichert man sich für die Zukunft ab?

Von Susanne Kowatsch

03.01.2023

„Pacta sunt servanda“, sprich: „Verträge sind einzuhalten“ – so lautet eines der wichtigsten Prinzipien im Vertragsrecht. Und das zeigt auch schon, dass die Möglichkeiten, aus einem bestehenden Vertrag herauszukommen bzw. seine Vertragspflichten einseitig zu ändern, begrenzt sind. Wenn im Werk- oder Liefervertrag keine Preisanpassung oder Preisgleitklausel vereinbart wurde, ist im Großen und Ganzen auch keine Preis­anpassung möglich. „Leider schreibt man selten in den Vertrag, dass der Preis beispielsweise in Höhe der aktuellen Selbstkosten plus einem Zuschlag von zehn Prozent liegen soll“, weiß Rechts­anwalt Univ.-Prof. Johannes Reich-Rohrwig, Partner bei CMS Reich-Rohrwig Hainz. Meist wird einfach ein Betrag X angeboten und vereinbart, also ein Festpreis. Ein Durchbrechen der Vertragsbindung ist dann nur in ganz speziellen Fällen möglich.

Unerschwinglich ­geworden?

In seltenen Fällen wäre ­etwa ein besonderes Rücktrittsrecht wegen Unmöglichkeit bzw. Unerschwinglichkeit der Leistung denkbar. Unerschwinglichkeit liegt laut Judikatur etwa dann vor, wenn der notwendige Aufwand zur Erwirkung der Leistung in keinem Verhältnis zum Wert der Leistung selbst steht, also geradezu wirtschaftlich sinnlos sei. Vorausgesetzt wird dazu eine erhebliche Existenzverschlechterung des zur Leistung oder Ausführung Verpflichteten (ein kleinerer Auftrag wird also nicht darunterfallen), die Leistungserschwerung darf zum Vertragsabschluss auch nicht vorhersehbar ­gewesen sein oder gar ein Verschulden vorliegen.

Bei Dauerschuldverhältnissen (z. B. Miete, Pacht) könnte man so zu ­einer außerordentlichen Kündigung berechtigt sein. Allerdings: „Daran, dass die Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses dem anderen Vertragsteil nicht mehr zumutbar ist, ist ein strenger Maßstab anzulegen“, weiß Reich-Rohrwig. So wurde beispielsweise die vorzeitige Auflösung ­eines Tankstellenpachtvertrags durch die Tochtergesellschaft eines Ölmultis anlässlich der Ölkrise 1972, als diese wegen des stark zurückgegangenen Treibstoffverbrauchs das Pachtentgelt nicht mehr verdienen konnte, vom OGH nicht gewährt. Auch nicht die Auf­lösung eines Bestandsvertrags in einem Einkaufs­zentrum, das sich enttäuschend entwickelt hatte – sehr wohl aber in einem ­anderen Einkaufszentrum, wo es 90 Prozent Leerstand gab sowie Elemente fehlten, welche die Attraktivität ­eines Einkaufszentrums ausmachen sollten.

Resümee: Auf Unmöglichkeit bzw. Unerschwinglichkeit kann man sich nur in extremen Einzelfällen ­erfolgreich berufen.

Wegfall der Geschäftsgrundlage

Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage kann vorliegen, wenn die von beiden Par­teien gemeinsam dem Vertragsabschluss unterstellten Voraussetzungen weggefallen sind oder eine ­geschäftstypische Voraussetzung, die jedermann mit einem solchen Geschäft verbindet. Die Änderung der Verhältnisse darf nicht vorhersehbar gewesen sein. „Inflation, Preissteigerungen etc. führen allerdings üblicherweise zu keinem Wegfall der Vertragsgrundlage, es sei denn, es wurde über konkrete Kalkulationsgrundlagen zwischen den Vertragsparteien vorab gesprochen und schlüssig vereinbart“, erklärt Reich-Rohrwig.

Auch eine Anfechtung oder eine Anpassung des Vertrags wegen Irrtums ist einigermaßen aussichtslos. Solch ein Irrtum muss vom anderen Vertragspartner veranlasst sein – zumindest hätte er diesem auffallen oder er die Aufklärungspflicht verletzt haben müssen. Ein Kalkulationsirrtum gilt jedenfalls nicht als anfechtbarer Geschäftsirrtum, solange die Kalkulation nicht Vertragsinhalt wurde.

Die sogenannte Verkürzung über die Hälfte (Laesio enormis) ermöglicht die Aufhebung des Vertrags, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (!) der Wert der Leistung mehr als doppelt so groß ist wie der Wert der Gegenleistung. Doch da die Teuerung ja erst nach Vertragsabschluss zugeschlagen hat, ist auch die Laesio enormis keine wirkliche Hilfe. Allerdings spielt sie in der Judikatur darüber hinaus eine Rolle: „Vertragsanpassungen bei Veränderungen der Umstände sind in der Judikatur eher wahrscheinlich, wenn der Wert der Leistung weniger als die Hälfte der Gegenleistung beträgt“, so Reich-Rohrwig. Wenngleich erst, wenn ­große, existenzbedrohliche Werte im Spiel sind.

Ergänzende Vertragsauslegung?

Könnte nicht auch ergänzende Vertragsauslegung möglich sein, etwa beim Werkvertrag, weil inzwischen die Preise gestiegen sind? Nein, sagte die Rechtsprechung in einem Fall, in dem es um steigende Kreditzinsen ging. Solche würden den Werkunternehmer nicht berechtigen, den Angebotspreis nachträglich zu erhöhen. Es handle sich hier um bloße Umstände seiner Kalkulation.

Preisgleitung ­hereinnehmen!

Bei neu abzuschließenden Verträgen lässt sich dagegen gut vorsorgen, etwa mit ­einer gut definierten Preisgleitung – und diese muss sich nicht immer am VPI orientieren: „Die Vertragsparteien können vertraglich selbst die Parameter für die Preisanpassung definieren, z. B. einen Warenkorb, der zu einem bestimmten Prozentsatz auf kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen, zu einem weiteren Prozentsatz auf dem VPI, auf bestimmten Energie- sowie bestimmten Rohstoffkos­ten gemäß näher definierter Indizes oder Entwicklungen an einschlägigen Börsen abstellt“, rät Reich-Rohrwig. Dazu ist zu regeln, wie oft die Preisanpassung erfolgen soll (z. B. täglich, monatlich, halbjährlich).

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