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Neues Schutzgesetz für Hinweisgeber
Schutz mit Lücken
„Ausgegangen ist der Fall von Luxleaks, wo Deutsche in Luxemburg Steuern hinterzogen haben, aber diejenigen, welche die Missstände aufgedeckt haben, Strafverfahren am Hals hatten. Das rief
die EU auf den Plan“, schildert Rechtsanwalt Martin Eckel, Partner bei Taylor Wessing. In Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern wurde nun mit einiger Verspätung das HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) beschlossen.
Nur sechs Monate Zeit
Jetzt eilt allerdings die Zeit. Bereits sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, ab Ende August, werden große Unternehmen mit über 250 Beschäftigten und öffentliche Einrichtungen Whistleblowing-Meldemöglichkeiten aufbieten müssen. Für Unternehmen mit über 50 Beschäftigten ist der 17. Dezember 2023 der Stichtag.
Die neue Meldemöglichkeit muss vertraulich und sicher sein (Details siehe Kasten). In Empfang nehmen muss die Meldung eine unparteiische Person oder Abteilung. Hat ein Unternehmen z. B. keinen Compliance Officer, kann es auch die Personalabteilung sein, es ist „aber auch nicht ausgeschlossen, dass es die Assistenz der Geschäftsführung macht“, so Eckel. Die Führungsebene darf, muss aber nicht eingebunden werden. Nicht nur interne Abteilungen, auch bestimmte externe Dritte, wie ein Ombudsmann, können betraut werden.
Offenkundig falsche Hinweise sind zurückzuweisen; anonyme Meldungen können, müssen aber nicht behandelt werden. „Es ist dennoch ratsam, anonyme Meldungen zuzulassen, denn die meisten Meldungen gehen in der Praxis anonym ein“, rät Eckel. Der Erhalt der Meldung muss dem Whistleblower binnen sieben Tagen bestätigt werden. Nach spätestens 90 Tagen ist er über den vorläufigen Stand zu informieren.
Leider, und das ist die zentrale Kritik vieler Experten am neuen Gesetz, „hat Österreich seinen Schutzbereich nicht auf das gesamte Strafrecht ausgedehnt, sondern lediglich auf die Verletzungen der Amtspflicht und Korruption“, so Eckel. Whistleblower werden so – anders als etwa in Deutschland – nicht für die Aufdeckung von Straftaten wie Veruntreuung, Betrug, Freiheitsentziehung, Menschenhandel etc. geschützt. „Ebenso wenig schützt sie das HSchG bei der Aufdeckung von Mobbing oder Diskriminierung. Potenzielle Whistleblower sollten sich dieses eingeschränkten Schutzbereichs also bewusst sein, bevor sie sich zu einem Hinweis entschließen“, warnt Alexander Petsche, Partner und Compliance-Experte bei Baker McKenzie.
Geschützt vom Gesetz ist man dagegen, wenn man auf Verletzungen von Vorschriften für das Gesundheits-, Finanz- und öffentliche Auftragswesen, die Produkt- und Verkehrssicherheit, den Verbraucher-, Lebensmittel- Umwelt-, Tier-, Datenschutz sowie das europäische Wettbewerbsrecht hinweist. Wer in diesen Bereichen an die vorgesehene Stelle meldet, wird vor Vergeltungsmaßnahmen wie Kündigungen, Disziplinarmaßnahmen oder vor einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen geschützt – sie sind rechtsunwirksam. „Bei bestimmten schwerwiegenderen Vergeltungsmaßnahmen wie Einschüchterung, Benachteiligung oder Rufschädigung soll der Whistleblower auch Anspruch auf faktische und finanzielle Wiedergutmachung seiner materiellen, aber auch immateriellen Schäden haben“, schildert Petsche. Für Folgen eines berechtigten Hinweises darf man auch nicht haftbar gemacht werden, was teure Klagen gegen Hinweisgeber verhindern soll.
Drohende Strafen
Die Behinderung von Hinweisgebern, Repressalien, die Verletzung der Vertraulichkeit, aber auch ein wissentlich falscher oder irreführender Hinweis werden mit Verwaltungsstrafen von bis zu 20.000 Euro (40.000 Euro im Wiederholungsfall) bestraft. Absurderweise, darauf weist Eckel hin: „Wenn ich gar nichts tue, also kein Meldesystem einrichte, gilt dies laut erläuternden Bemerkungen zum Gesetz nicht als ‚Behinderung‘ und mir droht keine Geldbuße.“ Eckels Nachsatz: „Aber auch wenn mir keine Strafe droht – sobald jemand nicht intern meldet, sondern an die Öffentlichkeit geht, droht mir ein weit teurerer PR-Schaden!“