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Geld zurück
So fordert man die Handy-Servicepauschale retour
Fast alle Menschen, die ein Mobiltelefon benutzen oder im Internet surfen, sind davon betroffen: Sie bezahlen neben dem vereinbarten monatlichen Telekom-Tarif jährlich eine Servicepauschale. Egal, ob A1 Telekom, Magenta, Hutchison Drei, Bob, Red Bull Mobile, Liwest, Mtel, Salzburg AG, ASAK oder Kabelplus: Sie bitten ihre Kunden mit rund 20 bis 40 Euro pro Jahr zusätzlich zur Kassa. Doch laut mehrerer OGH-Urteile zu vergleichbaren Klauseln in Fitnessstudios (etwa 3 Ob 155/22y) sind solche Zusatzentgelte unzulässig – und müssen somit zurückgezahlt werden. Die Internet-, Telefon- und Mobilfunkanbieter heben nämlich ihre Servicepauschalen ein, ohne dass ihre Kunden üblicherweise dadurch einen Vorteil oder Mehrleistungen über den Handyvertrag hinaus genießen. Sie verstoßen damit gegen § 879 Abs. 3 ABGB. Juristen, Konsumentenschützer und Prozessfinanzierer beschäftigen sich zunehmend damit, wie Telekom-Kunden ihr Geld zurückbekommen können.
Besonders vehement tritt der junge Wiener Rechtsanwalt Matthias Strohmayer für die Sache ein. Der Experte für Wettbewerbsrecht und Konsumentenschutz ist auch regelmäßig für den Verein für Konsumenteninformation (VKI) tätig. Seit Sommer 2022 machte der Anwalt über 200 Konsumentenrückforderungen geltend. „In absolut allen Fällen erstatteten die Anbieter bisher sämtliche Servicepauschalen zurück. Meistens sofort nach Erhalt der Klage – rückwirkend bis 2011 sowie samt Zinsen, Anwalts- und Gerichtskosten. Sie bezahlen immer, weil sie wissen, dass sie vor Gericht vermutlich verlieren. Voraussetzung ist die außergerichtliche Aufforderung.“
195 Euro pro Verbraucher
Die Servicepauschale betrifft alle Sparten der Telekommunikation: Mobilfunk, mobiles Internet und Festnetzinternet. Zurückgezahlt wird pro Vertrag: Wer also einen Handy- sowie einen Internettarif bezahlt, bekommt zweimal die Servicepauschale refundiert. Bis 2011 (dem Jahr, in dem Servicepauschalen eingeführt wurden) rückwirkend – und sogar dann, wenn sie in diesem Zeitraum den Anbieter wechselten. Im Durchschnitt waren das 195 Euro pro Verbraucher, die Maximalsumme betrug 654 Euro.
So weit die Lage bei Privatkunden, also bei Konsumenten – wie aber sieht die Sache für Unternehmer aus, also für Kunden mit Businessverträgen? In diesem Bereich wurde Strohmayer mittlerweile für drei Firmen aktiv: In allen Fällen zahlten die Anbieter ebenfalls unverzüglich alles zurück. Einer verzichtete sogar unwiderruflich auch auf die künftige Verrechnung – für sämtliche Verträge der Firma. Denn „auch für Businessverträge kann die Servicepauschale grundsätzlich gemäß § 879 Abs. 3 ABGB als unzulässig eingestuft werden“, erklärt Strohmayer. Mit zwei beträchtlichen Einschränkungen: Die Rückforderung gilt nur für die letzten drei Jahre, und die Rechtslage ist etwas riskanter als für Verbraucher.
Wie kommt es zu dieser Ungleichstellung? Für Unternehmenskunden ist die neue Rechtsprechung des EuGH (vom 16. Juli 2020) über Zusatzkosten nicht anwendbar – schlicht und einfach deswegen, weil es im Fall vor dem EuGH ausschließlich um Konsumenten ging. Daher ist die Übertragbarkeit dieser Causa auf Unternehmer auf nationaler Ebene offen. Ein klassischer Graubereich. Die Chancen auf Rückzahlung stehen aber auch für Businessverträge gut, wie die abgewickelten Fälle zeigen.
Dass so mancher Telekom-Anbieter aktuell damit wirbt, bei neuen Vertragsabschlüssen auf die jährliche Servicepauschale zu verzichten (meist gegen Erhöhung der monatlichen Kosten), ist daher kein Akt purer Nächstenliebe. „Die Rückforderungen zeigen bereits Wirkung“, motiviert Strohmayer. „Für künftige Verträge wird es nur mehr einen Preis geben, der für Kunden leichter vergleichbar ist.“
Mitte Jänner hat übrigens auch die Arbeiterkammer vier Verbandsklagen gegen Mobilfunkbetreiber zu diesem Thema eingebracht.
Update 6. 2. 2024
Einige GEWINN-Leser, welche den Musterbrief bereits an ihren Telekom-Anbieter geschickt haben, berichten von recht unterschiedlichen Antworten. Manche Unternehmen fordern eine umfassende Anzahl an zusätzlichen Daten (Kundennummer, Service-PIN und einiges mehr), andere verweigern die Zahlung mit dem Argument, dass die Arbeiterkammer eben Verbandsklagen eingebracht hätten und eine Klärung abzuwarten ist. Wieder andere berufen sich auf die Einschätzung der Rundfunkbehörde RTR.
Zum Thema Verbandsklagen stellt Rechtsanwalt Matthias Strohmayer, der mittlerweile rund 1000 Kunden gegen diverse Telekom-Anbieter vertritt, fest: „Der Anspruch auf Rückerstattung besteht unabhängig vom Verfahren der Arbeiterkammer. Während das Verfahren der Arbeiterkammer insbesondere darauf gerichtet ist, dass sich die Telekom-Anbieter in Zukunft nicht mehr auf Servicepauschalklausel berufen dürfen, können Verbraucher die Rückerstattung der in der Vergangenheit bezahlten Beträge jetzt fordern und durchsetzen.“
Festzustellen ist, dass es zwar zahlreiche OGH-Urteile zur Widerrechtlichkeit der Servicepauschale gibt, aber derzeit, soweit bekannt, noch kein spezifisches Urteil gegen einen Telekom-Anbieter ergangen ist. Diese haben bisher in sämtlichen Verfahren außergerichtlich oder noch vor Ergehen eines Urteils Zahlungen an die Kunden geleistet. Das lässt aber zumindest vermuten, dass die Rechtslage eher zugunsten der Kunden ausfällt. Ansonsten hätte es wohl schon ein Unternehmen auf ein Urteil ankommen lassen.
Tatsache ist dennoch, so zeigen die Rückmeldungen der letzten Tage unserer Leser, dass die allermeisten Anbieter derzeit offenbar nicht gewillt sind, Servicegebühren ohne Einschaltung eines Anwalts zurückzuzahlen. Sie setzen dabei einerseits darauf, dass viele Kunden resignieren, andererseits auch auf den Zeitfaktor: Wird eine Klage nicht binnen drei Jahren nach Kenntnis vom Rückforderungsanspruch eingebracht, sind allfällige Ansprüche des Kunden möglicherweise verjährt.
Egal ob man aktuell als Kunde untätig bleibt oder eine Forderung per Musterbrief an seinen Telekom-Anbieter schickt – die Verjährung läuft weiter, sie wird dadurch nicht gehemmt.
Das Einzige, das helfen könnte, ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts, der falls nötig eine Klage bei Gericht einbringt. Ist man passend rechtschutzversichert, trägt man dabei selbst kein Kostenrisiko. Ist man dies nicht, muss man das Kostenrisiko selbst tragen. Alternativ arbeitet etwa Rechtsanwalt Matthias Strohmayer auch mit Prozessfinanzierern zusammen, die das Kostenrisiko übernehmen (und dafür schlussendlich einen Teil der Rückzahlung erhalten).
Hier können Sie einen Musterbrief downloaden, den Sie an Ihren Telekom-Anbieter versenden können, er gilt für Konsumenten wie Unternehmer gleichermaßen.