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Interview Nick Parson
Klimawandel: „Wir müssen das Problem an der Quelle angehen“
GEWINN: Wo wurden aus Ihrer Sicht in der Vergangenheit die größten Fortschritte im Hinblick auf den Klimaschutz gemacht?
Parson: Das Land, das in den vergangenen Jahren wahrscheinlich in Sachen Klimaschutz am meisten vorangebracht hat, ist Indien. Mit viel Ehrgeiz, Engagement und einem sehr förderlichen rechtlichen Rahmen hat es das Land geschafft, riesige Kapazitäten zur Gewinnung erneuerbarer Energie zu schaffen. So wurden in Indien fast 200 Gigawatt an erneuerbarer Energie installiert. Indien wird in ein paar Jahren China als bevölkerungsreichstes Land der Welt überholen. Es ist eine der sechs größten Volkswirtschaften der Welt. Und ich denke, es ist ein klares Beispiel dafür, was passiert, wenn man die Verpflichtungen ernst nimmt und das Versprechen einer Energiewende in konkrete Maßnahmen umsetzt. Auch in Westeuropa wurden in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Aber diese Fortschritte muss man längerfristig betrachtet wohl auch im Kontext der enormen Umweltschäden sehen, die wir seit Beginn der industriellen Revolution verursacht haben.
GEWINN: Apropos China: Was konnte man hier in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz erreichen?
Parson: Ich würde sagen, in China wurden bisher nur unzureichende Fortschritte gemacht. Was hier insbesondere enttäuscht, ist die Menge an Strom, die aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird. Und die wird sich sogar noch erhöhen, weil weiterhin neue Kohlekraftwerke gebaut werden. China ist für rund elf der 37 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen weltweit verantwortlich – also fast für ein Drittel der klimaschädlichen Emissionen. In China wird in 28 Stunden so viel CO2 emittiert wie in Österreich in einem ganzen Jahr. Aber abgesehen von China gibt es noch weitere große Länder in Asien, die hohe CO2-Emissionen verursachen. So haben etwa die sieben größten Länder nach China einen höheren CO2-Ausstoß als alle 27 Länder der Europäischen Union zusammen.
GEWINN: Aber sind nicht die Emissionen pro Kopf in Westeuropa viel höher als in den asiatischen Schwellenländern? Das ist dann doch ein unfairer Vergleich, oder? Und außerdem geht es laut Experten ja auch um die Signalwirkung, die von den etablierten Industriestaaten ausgeht …
Parson: Wir verwenden die Kennzahl Emissionen pro Kopf nicht, weil sie aus unserer Sicht irreführend ist. Hingegen betrachten wir die CO2-Emissionen pro Einheit des BIP, also wie viele Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro einer Milliarde Dollar Wirtschaftsleistung anfallen. Und dabei haben wir festgestellt, dass die Kohlenstoffintensität der Wirtschaft in den großen asiatischen Ländern im Durchschnitt etwa fünfmal höher ist als jene der vier größten Länder in Europa. Deshalb sind wir als Impact-Investor genau in diesen großen asiatischen Ländern – abgesehen von China – aktiv. Weil wir das Problem an der Quelle angehen müssen. Wir sind daher bereits mit Investitionen auf den Philippinen, in Indien und Vietnam vertreten. Ich will damit nicht sagen, dass Klimaschutzmaßnahmen in Europa sinnlos sind – jede Hilfe zählt –, aber es wird global gesehen keinen Unterschied machen. Und ja, Sie haben recht, wenn Sie die Signalwirkung ansprechen. Aber ich denke, das Beste, was Europa tun könnte, ist, den Ländern, in denen das Problem am größten ist, Kapital zur Verfügung zu stellen.