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Metawork – schöne neue Arbeitswelt?
René Massatti ist davon überzeugt, dass virtuelle Welten unser Leben künftig fundamental beinflussen werden.
© Peter Schmidt

40 Jahre GEWINN

Metawork – schöne neue Arbeitswelt?

Wie wir in 40 Jahren arbeiten werden und welche Rolle Technologie und Bildung dabei spielen – Trendforscher René Massatti gibt Antworten.

Von Michaela Schellner

30.03.2022

GEWINN: Herr Massatti, was werden denn, Ihrer Einschätzung nach, die gravierendsten Veränderungen der Arbeitswelt bis zum Jahr 2062 sein?

René Massatti: 40 Jahre ist natürlich ein sehr langer Zeithorizont. Üblicherweise erstellen wir Prognosen und Zukunftsszenarien, die maximal fünf bis zehn Jahre in die Zukunft reichen. Was man aber sicher sagen kann, ist, dass die zunehmende Technologisierung unserer Gegenwart einen großen Einfluss auf unseren Alltag und damit auch auf unser Arbeitsleben haben wird. Vieles, was heute undenkbar scheint, wird zukünftig eine entscheidende Rolle spielen.

GEWINN: Was zum Beispiel?

Massatti: Beschleunigt durch die Corona-Pandemie sprechen derzeit alle von Remote Work, also dem Arbeiten von unterwegs oder aus dem Home-Office kombiniert mit einzelnen Tagen im Büro. Das wird aber nicht dauerhaft so sein.

GEWINN: Weil das Büro als Arbeitsort ausgedient hat?

Massatti: Teilweise ja. Es zeigt sich bereits jetzt, dass es zu einer Reduktion des Bürobedarfs von Unternehmen kommt. In die Arbeit zu gehen, um dort E-Mails zu schreiben, und dann wieder nach Hause zu fahren, ist ein Auslaufmodell. Auch Geschäftsreisen werden hinterfragt, wenn diese keinen tieferen Hintergrund wie gemeinsames strategisches oder kreatives Arbeiten haben oder der Stärkung zwischenmenschlicher Beziehungen dienen.

GEWINN: Wo – räumlich gesehen – wird dann zukünftig gearbeitet?

Massatti: Ich gehe davon aus, dass die Zukunft auch nicht im Home-Office liegen wird, also zumindest nicht so, wie wir es jetzt kennen. Unser Arbeitsleben wird sich in sogenannte Third Places verlagern. Das sind virtuelle Räume – Stichwort Metaversum –, wo die digitale Welt mit der realen so verschmelzen wird, dass der Unterschied zwischen beiden gar nicht mehr erkennbar ist. Möglich machen das Anwendungen und Themen, die uns schon heute beschäftigen.

GEWINN: Welche sind das?

Massatti: Es gibt bereits unglaubliche Entwicklungen im Bereich künstliche Intelligenz (KI), Virtual Reality, Augmented Reality, Beziehung von Mensch und Maschine, 5G oder 6G. Mit all diesen technologischen Errungenschaften entstehen, umfassend kombiniert, ganz neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

GEWINN: Und wie sollen diese Third Places für die Arbeit genutzt werden?

Massatti: Dass sich die Menschen heute im Büro persönlich treffen, hat auch viel mit Kultur zu tun. Dieser persönliche Austausch wird nicht verschwinden, aber zukünftig auch anders, nämlich virtuell stattfinden. Das heißt, man trifft sich durch das Aufsetzen einer VR-Brille, das Verwenden spezieller Kontaktlinsen, über einen Avatar oder ein fotorealistisches Echtzeithologramm in einem virtuellen Raum, um der Grundtätigkeit, gemeinsam zu arbeiten, nachzugehen.

GEWINN: Hört sich ein bisschen nach Science-Fiction an…

Massatti: Ja, das höre ich öfters. Die Frage ist aber: Wenn ich die Möglichkeit habe, mich mit meinen Kollegen in einer Art und Weise zu treffen, die ein ähnliches persönliches Erlebnis hervorruft und wo ich noch von Zusatz-Features wie zum Beispiel dem Abrufen digitaler Inhalte profitieren kann, warum sollte ich das dann nicht nutzen? Wir stehen hier natürlich noch ganz am Anfang einer Entwicklung, weil es noch keine wirkliche Killer-Applikation gibt, mit der sich all das für die Massenmarktnutzung umsetzen lässt. Aber die Dinge verändern sich rasant und es werden hohe Summen in Forschung und Entwicklung investiert. Heute sind Videokonferenzen selbstverständlich. Vor fünf Jahren war das undenkbar.

GEWINN: Der technologische Fortschritt wird nicht nur positiv gesehen. Dass Maschinen die Menschen am Arbeitsplatz ersetzen könnten, ist für viele Anlass zur Sorge.

Massatti: Die Antwort ist simpel. Wir leben in einer Wissensgesellschaft, in der Bildung und lebenslanges Lernen
unerlässlich sind. Wenn ich das als Gesellschaft verstanden habe, dann braucht sich niemand Sorgen machen,
dass es irgendwann keine Jobs mehr geben wird. Das müsste aber bereits in der Schule vermittelt werden. Hier
ist derzeit ein systemisches Scheitern vorprogrammiert, weil lediglich das vermittelt wird, was die Lehrer können. Das ist leider oft zu wenig.

GEWINN: Was ist Ihre Empfehlung?

Massatti: Fähigkeiten wie Kollaboration, Kommunikation, kritisches Denken und Kreativität sind wichtig, um
sich auf die zukünftigen Herausforderungen einer sich immer schneller ändernden Welt vorzubereiten. Auch
Hufschmiede und Kutscher mussten sich daran anpassen, dass Pferde nicht mehr als Transportmittel im Einsatz
waren, und Bankmitarbeiter damit umgehen lernen, dass Bankomaten Geld auszahlen. Dass Maschinen bestimmte Tätigkeiten übernehmen, bedeutet aber nicht, dass Menschen nicht mehr gebraucht werden. Insbesondere an der Schnittstelle Mensch und Maschine wird es einen massiven Bedarf an Arbeitskräften geben.

GEWINN: Heißt das, dass nur wer ein Technologieverständnis entwickelt, zukünftig auf der sicheren Seite ist?

Massatti: Ohne Technologiewissen wird es nicht gehen. Techniker sind gefragt ebenso wie Web-Entwickler
oder KI-Experten. Ich bin aber kein Fan davon zu sagen, dass es in Zukunft nur noch technische Berufe geben
wird. Eine Ärztin wird vermutlich nicht von einem Roboter ersetzt werden, ebenso wenig wie ein Krankenpfleger oder ein Installateur, um jetzt ein paar plakative Beispiele zu nennen. Es wird aber vermutlich nicht mehr reichen, wenn Ärzte „nur“ ihre Fachausbildung absolvieren. Es wird notwendig sein zu verstehen, wie Algorithmen ticken, wie die Zusammenarbeit zwischen menschlichen und maschinellen Arbeitskräften funktionieren kann und welche Geschäftsmodelle sich daraus ableiten lassen. Ein anderes Beispiel ist der Einsatz von Avataren. Was darf denn ein Avatar in meinem Namen alles erledigen? Darf er Verträge unterschreiben und hat er bestimmte Rechte? An diesem Detailbeispiel sieht man, welche Fragen sich auftun und immer, wo Fragen auftauchen, entstehen auch Jobs.

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